Arte zeigt am Mittwoch, 19. September 2012 um 21.55 Uhr ein facettenreiches Portrait über Oliver Storz von Dominik Graf.

Aus der Senderinformation: Oliver Storz (1929-2011) war ein vielfach ausgezeichneter Dramaturg, Drehbuchautor und Regisseur – einer der Großen in der deutschen Mediengeschichte. Im hohen Alter wurde er schließlich noch ein erfolgreicher Schriftsteller. Sein Lebensthema war die Erinnerung, genauer: die Erinnerung an die Zeit, in der Deutschland unter Adolf Hitler im Chaos versank. Mit leichter Hand montiert der neunfache Grimme-Preis-Träger Dominik Graf historisches Originalmaterial, Filmzitate, neu gedrehte Spielszenen und die Worte seines Gesprächspartners zu einem immer dichter werdenden Doku-Essay.

Oliver Storz, der Wegbereiter und wortwörtliche Entwicklungshelfer des deutschen Fernsehens, reflektiert im Gespräch mit dem Filmemacher Dominik Graf seine persönlichen Erlebnisse – und spricht auch darüber, wie historische Tatsachen medial aufgearbeitet werden.

Storz selbst hat in „Drei Tage im April“ (1995) ein Ereignis verfilmt, das sich in den letzten Kriegstagen in der Nähe seiner Heimatstadt Schwäbisch-Hall zugetragen hatte. In einem kleinen Bahnhof blieben damals, bewacht von SS-Männern, vier Waggons stehen. Drinnen rangen Häftlinge eines Konzentrationslagers mit dem Tode und schrien vor Schmerz und Hunger. Storz befragte beim Dreh die Zeitzeugen nach ihren Erinnerungen und war bestürzt: Nur ein damals 16-Jähriger konnte dazu etwas sagen. Das kollektive Gedächtnis hat die Erinnerung an das Ereignis gelöscht.

Woher kann Rettung kommen für die bedrohte Wahrheit? Das Medium TV sei dafür wenig geeignet, sagt Storz, zu gedächtnislos sei dessen Aura, zu stark sei die Fixierung auf das, was man „Event“ nenne und als Kriterium für die Erzählwürdigkeit von Ereignissen heranziehe.

Oliver Storz‘ prägende Zeit waren die letzten Kriegs- und ersten Friedensjahre. Jahre, die sich für den damals Jugendlichen für immer einschreiben und sein späteres Schaffen und Denken bestimmen: Das Mitleid, das er empfand und nicht zeigen durfte, als die Nazis in seiner Heimatstadt ein Bauernmädchen öffentlich an den Pranger fesselten und ihr den Kopf scheren ließen. Den Begriff der Kollektivschuld habe er für sich immer angenommen, so Storz. Oder das Gefühl der Zerrissenheit: Als Pimpf war das Kind Oliver angetan vom geschickten Brimborium der Nazis. Zuhause lauschte er gebannt den Gesprächen seines Vaters, der ein überzeugter Antifaschist war und den Untergang voraussagte. Oliver kämpfte mit seiner Wut und Empörung über den gefühlten Verrat. Wohl wissend, wie gefährlich es wäre, ein Wort davon nach außen dringen zu lassen.

Vor vier Jahren reüssierte der Filmemacher Storz dann mit seinem autobiografischen Roman „Die Freibadclique“ auch als sprachgewaltiger Schriftsteller. Während der Arbeit an seinem zweiten Roman, der den Schwarzmarkt zum Hauptthema haben sollte, erfuhr er von seiner schweren Krankheit. Eine im Film zu sehende Lesung mit Stefan Kurt und Matthias Brandt aus „Als wir Gangster waren“ ist eine Feier anlässlich seines 82. Geburtstages. Eine Feier, die bereits vom Abschied umweht ist. Der Tod kam nicht überraschend für Oliver Storz, aber früher als erwartet. Und so wird im Film neben den großen Lebensereignissen auch das Lebensende und Storz‘ Verhältnis zu seinem unnahbaren Vater zum Gesprächsthema.

Zweimal hat Graf den 82-jährigen Oliver Storz zu Hause zu konzentrierten Gesprächen getroffen. Die beiden hatten sich erst kurz zuvor kennengelernt. Rückblickend erscheinen Storz‘ Worte als eine Art Vermächtnis. Drei Wochen nach der zweiten Zusammenkunft starb Oliver Storz.

Chronologisch erzählt Graf nur, wenn es um den beruflichen Werdegang von Storz geht, der als Feuilletonist begann, bei der Bavaria zu den gefeierten TV-Dramaturgen gehörte, danach ein begehrter Drehbuchautor wurde (unter anderem unter Pseudonym für „Raumpatrouille Orion“), bevor er schließlich seine Stoffe von 1980 an selbst inszenierte. Ansonsten verknüpft Graf die Lawinen der Erinnerung, denen sich Storz aussetzt, nicht zeitlich, sondern thematisch mit den historischen Ereignissen. Ein von Graf selbst gesprochener Text erläutert die Hintergründe und sucht immer wieder die Verbindung zu seinem übergeordneten Thema – dem Gedächtnis.