Eben mailte mir ein guter Freund, selbst ein ausgezeichneter Autor, die Serien-Mail eines Auftragsbiografen, der sich ihm auf diesem Weg andienen wollte. Im Anschluß an das Angebot lesen Sie bitte meinen Kommentar.

„Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Name ist ……, ich bin … Jahre alt und von Beruf Schriftsteller und Autor.

Ich schreibe und veröffentliche neben Romanen und anderer Belletristik hauptsächlich Biographien und Autobiographien von Künstlern, sowie von freiberuflich tätigen Menschen (Sänger, Musiker, Bands, Maler, Moderatoren, Tänzer, Schauspieler, Tanzlehrer, Instrumentallehrer, Sportler, Artisten, Magier, Ärzte, Heilpraktiker, Rechtsanwälte, Choreografen, Fotomodelle, Fotografen, etc.), die durch die Veröffentlichung ihres Buches selbstverständlich enorm an Ansehen und Prestige in der Gesellschaft gewinnen.

Ebenso schreibe und veröffentliche ich Autobiographien von „ganz normalen Menschen“ – also von „Dir und mir“. Denn jedes Leben ist interessant. Jeder Mensch ist interessant. Jeder Mensch kann andere Menschen mit einem Buch an seinem Leben teilhaben lassen und somit anderen Menschen Zuversicht, Ideen, Lebensperspektiven und Lebensansichten vermitteln.

Welcher Mensch wünscht sich nicht – zumindest insgeheim -, dass es ein Buch über ihn geben würde?

Ich schreibe Ihnen heute diese E-Mail, weil ich über Sie gerne ein Buch schreiben möchte. Ein Buch, das man in jeder Buchhandlung und in mehr als 1000 Internet-Shops kaufen kann. Selbstverständlich würde ich hierbei sehr eng mit Ihnen zusammenarbeiten, da ich ja Informationen und auch Bildmaterial von Ihnen benötige.

Alternativ schreibe ich Ihnen aber auch sehr gerne ein Buch über ein Brautpaar, das Sie diesem dann zur Hochzeit schenken können. Ein Geschenk, das der Knaller schlechthin sein wird und sich deutlich von allen Massengeschenken abheben wird. Oder kennen Sie jemanden, der zur Hochzeit sein eigenes Buch erhalten hat? Ein Buch, das die Biographie des Bräutigams, seiner Braut, ggf. deren Kinder, sowie seiner und ihrer Familie erzählt.

Oder schenken Sie doch einmal einem Ihrer Mitarbeiter zum Jubiläum oder zur Verabschiedung in den Ruhestand dessen eigenes Buch. Er wird zu Recht vor Stolz platzen. Denn von welchem Menschen wird schon ein Buch geschrieben? Richtig! – Nur von den wichtigen Menschen. Und jeder Mensch ist wichtig!

Oder schenken Sie einem jungen Menschen dessen eigenes Buch zum bestandenen Abitur, einem Jubilar zum runden Geburtstag oder, oder, oder …

Eine wirklich sehr schöne Idee ist meiner Meinung nach, ein Buch über einen verstorbenen Menschen zu dessen Gedenken zu schreiben. So ein Buch kann man auch noch Jahre nach dem Tod eines Menschen schreiben.
Bei Büchern, die als Geschenk in Auftrag gegeben werden, können Sie selbst im Buch mit einer persönlichen Widmung in Erscheinung treten, selbstverständlich auch mit Logo oder Familienwappen.

Neben Biographien und Autobiographien schreibe ich auch Chroniken von Firmen, Familien und Vereinen. Denken Sie nur einmal an den kostenlosen Werbe-Effekt, den die Veröffentlichung eines Buches mit sich bringt. Dazu ist lediglich eine entsprechende Pressemitteilung an die in Frage kommenden Gazetten nötig. Und jede Tageszeitung wird in den nächsten Tagen über Ihr Buch und Ihre Firma berichten. Kostenlos werden Sie in aller Munde sein! Denken Sie nur, welches Ansehen und Prestige Sie dadurch in der Gesellschaft, in Ihrer Stadt, in Ihrer Gemeinde geniesen werden.

Vor gut einem Jahr habe ich einem Handwerker ein Buch über dessen Betrieb und Familie geschrieben. Dieses Buch legt er jedem seiner Kunden als kleines Dankeschön zur Rechnung bei. Glauben Sie, dass der Kunden das Buch jemals wegwerfen wird? Außerdem hat er einer Vielzahl von Ärzten sein Buch zum Auslegen im Wartezimmer geschenkt. Eine sensationelle Idee!

Auch bei Chroniken gilt: Ein Buch hebt das Ansehen und Prestige in der Gesellschaft. Denn welche Firma oder welcher Verein, welche Familie kann schon von sich behaupten, dass jemals ein Buch über sie verfasst und veröffentlicht wurde? Durch ein Buch lernt der Leser eine Firma, eine Familie oder einen Verein von einer ganz anderen Seite kennen. Von einer sehr persönlichen Seite. Das macht sympatisch und bleibt in Erinnerung. Man wird Sie mit anderen Augen sehen. Von einer Seite, die Sie selbst bestimmen und beleuchten!

Gut, zugegeben. Einen kleinen Haken hat diese Sache. Ich kann das Buch nicht ohne Ihre Mithilfe schreiben. Ich nehme Ihnen zwar jegliche Arbeit ab, die mir möglich ist, jedoch brauche ich trotzdem Ihre Unterstützung. Sie müssen mir Bildmaterial zur Verfügung stellen und mir einen recht umfangreichen Fragebogen stichwortartig ausfüllen, den Sie von mir bekommen werden und aus dem ich meine Informationen entnehmen kann. Und nicht zuletzt müssen Sie nach Fertigstellung das Manuskript des Buches lesen und genehmigen, bevor dieses in den Druck geht, damit nichts falsch dargestellt und veröffentlicht wird. Den meisten meiner Klienten macht diese „Arbeit“ zwar große Freude, doch sicherlich muss dieses nicht bei jedem so sein, daher möchte ich es deutlich ansprechen. Ohne Ihre aktive Unterstützung geht es nicht.

Die Kosten? Nein, die Kosten stellen in der Regel nicht das Problem dar, da sich das Buch selbst finanziert.

Bitte geben Sie mir kurz per E-Mail Bescheid, ob Sie Interesse an Ihrem persönlichen Buch haben. Meine E-Mail-Adresse: …. Sobald mir Ihre positive Antwort vorliegt, werde ich Ihnen weiteres Info-Material zukommen lassen.

Ich freue mich auf Ihre E-Mail.

Mit freundlichem Gruß

……………………………..
(Autor & Schriftsteller)

Soweit der Kollege aus der Auftragsbiografen-Szene. Nun sei folgendes vermerkt: Wer die Kosten eines solchen Projekts derart runterredet, handelt unredlich!

Auftragsbiografien kosten den Kunden je nach Umfang zwischen 4.000 bis 10.000 Euro und mehr – im Durchschnitt der Biografiedienstleister um die 7.000 Euro bei 100 Seiten Umfang. Wer seine Memoiren billiger geschrieben haben möchte, muss sie selbst schreiben oder einen gutmütigen Autor in der Familie oder im Freundeskreis haben.

Dass sich solche Bücher „selbst finanzieren“, ist eine Täuschung des Kunden. Die wenigsten Bücher dieses Subgenres der Auftragsbiografie verkaufen im Buchhandel mehr als 0-500 Exemplare – wobei ca. 90 Prozent dieser Anbieter eher null Verkäufe erzielen.

Nein, lieber Kollege: Natürlich können Sie Ihre Dienste jedem anbieten, auch Autoren, die weit besser als Sie schreiben und in der Literaturszene anerkannt sind, während mir Ihr Name unbekannt und auch nicht recherchierbar ist – was einfach zeigt, wie wenig Sie sich in Ihrem Massen-E-Mail-Versand mit den Menschen hinter der E-Mail beschäftigen.

Aber lügen sollten Sie nicht, was die Kosten Ihrer Dienstleistung betrifft!