Den Einhard-Preis 2015 erhält der Bielefelder Historiker Joachim Radkau für seine Biographie des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss. Das gab der Vorstand der Einhard-Stiftung heute in Seligenstadt bekannt. Die alle zwei Jahre verliehene und mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung ist benannt nach dem Berater und Biographen Kaiser Karls des Großen, Einhard (* um 770, † 840), der in Seligenstadt lebte und dort ein Kloster gründete. Die Laudatio bei der feierlichen Preisverleihung am 14. März 2015 in Seligenstadt wird die Rechtswissenschaftlerin und ehemalige Richterin des Bundesverfassungsgerichts Gertrude Lübbe-Wolff halten.


Aus der Pressemeldung: Bevor aus Theodor Heuss das erste Staatsoberhaupt der Bundesrepublik wurde, war er ein fleißiger Schriftsteller und Feuilletonist. „In Joachim Radkau“, so die Begründung des Kuratoriums der Einhard-Stiftung, „hat dieser vielgewandte Geist seinen kongenialen Biographen gefunden. An Radkaus Heuss-Biographie frappieren Eleganz und Lebendigkeit des Tons, Freimut des Zugriffs und immer wieder die unbeirrbare Neugier auf die nur scheinbar beiläufigen Details der Lebensführung.“ Neben den volkstümlichen Bildern des ersten Bundespräsidenten, der etwa als „Papa“ Heuss seinen Platz im historischen Gedächtnis seiner Landsleute sicher habe, zeige Radkau, der bis zu seiner Emeritierung 2009 Geschichte an der Universität Bielefeld lehrte, auch einen anderen Heuss: einen hochempfindlichen Zeitgenossen und rollenbewussten Mitspieler im politischen Geschäft, der geistig stets auf der Höhe der Zeit war und die Nähe der technischen Intelligenz suchte.

Radkau, so heißt es in der Begründung des Kuratoriums weiter, schildere Heuss als Grenzspaziergänger, der den Leser zunächst als Repräsentant seiner Herkunfts- und Bildungswelt fasziniere und sich scheinbar zwanglos für höhere repräsentative Aufgaben qualifiziert habe. „Die Biographie ist ein großes Lesevergnügen. Ja, sie liest sich so vergnüglich, dass man den Witz von Radkaus Verfahren übersehen könnte. Nicht bloß in seinen Amtshandlungen, sondern in der ganzen Person repräsentiert der Bundespräsident den Staat. Das steht so zwar auch in den Grundgesetzkommentaren. Aber was damit gemeint sein soll, hat uns erst Radkau gezeigt. In der alten Hierarchie der historiographischen Gattungen gilt die Biographie als minderes, illustratives Genre. Radkaus Argument über die Zivilisierung des politischen Lebens in der Bundesrepublik braucht die biographische Form.“

Die Einhard-Stiftung wurde 1998 von Seligenstädter Bürgern zur Pflege des Andenkens an Einhard gegründet, den Berater und Biographen Karls des Großen. Alle zwei Jahre verleiht die Stiftung den mit 10.000 Euro dotierten Einhard-Literaturpreis für eine herausragende Biographie einer Persönlichkeit, deren wissenschaftliches, religiöses, politisches, künstlerisches oder wirtschaftliches Lebenswerk in einer engen Beziehung zu Europa steht. Zu den bisherigen Preisträgern zählen die Autorin Margot Friedlander, die Historiker Eberhard Weis, Otto Pflanze und John C.G. Röhl, der Journalist und Publizist Joachim Fest sowie die Literaturwissenschaftler Irène Heidelberger-Leonard, Brian David Boyd und Hugh Barr Nisbet.