Das Schreiben, das ich vor einigen Tagen per Mail bekam, klang verheißungsvoll:

„Sehr geehrter Herr Dr. Mäckler,

an den Universitäten Rostock und Greifswald besteht ein Mentoring-Programm zur Förderung von Doktorandinnen. Neben einem umfangreichen Seminarprogramm für die gesamte Gruppe sieht dieses Programm vor, dass jede Mentee von einem Mentor unterstützt wird. Dieser soll von uns selbst gewählt und unserem Karriereziel bzw. unserem Fachgebiet besonders nahe sein.

Ich habe Geschichte, Politikwissenschaft und European Studies studiert und schreibe derzeit meine Promotion zur Zeitschrift „Die Weltbühne“ und ihr Erscheinen zwischen 1946 bis 1993 in der Sowjetischen Besatzungszone, der DDR und dem wiedervereinten Deutschland.

Dabei habe ich einen akteurszentrierten Ansatz gewählt. Ich finde es vor allem spannend, welche Entscheidungen Menschen im Kontext „großer“ historischer Ereignisse treffen, wie Tatsachen und Meinungen wahrgenommen werden und die Gedankenwelten von Personen aussehen.

Meine Leidenschaft für persönliche Geschichten ist für mich derzeit der Anlass, die Biographie meiner Oma aufzuschreiben. Da mir das sehr viel Spaß macht, möchte ich dies gerne zur Selbstständigkeit ausbauen. Einige Schritte auf diesem Weg bin ich schon gegangen, unter anderem mit dem Erstellen einer Homepage. (Bisheriger Domain-Name: ….)

Bei meinen Recherchen zum Thema „Biographie schreiben“ und „Selbstständigkeit“ bin ich auf Sie gestoßen. Sie haben bereits viele Biographien geschrieben, als Dozent vermitteln Sie Ihr Wissen und können langjährige Erfahrungen vorweisen.

Daher möchte ich gerne mehr über Sie und Ihre Arbeit erfahren und Sie fragen, ob Sie sich vorstellen können, mein Mentor zu werden? Im Programm geht es darum, Lebenswege der Mentees kennenzulernen, Informationen und Tipps für die Karriereplanung zu bekommen sowie Einblicke in die Lebens- und Arbeitswelt des Mentors zu erhalten.

Zunächst ist ein Erstgespräch vorgesehen, in dem die jeweiligen Wünsche und Ziele des Mentors und der Mentee festgehalten werden. Wie im Einzelnen die Mentoring-Beziehung aussehen soll bzw. kann, legen Mentor und Mentee selbst fest.

Sollten Sie weitere Fragen haben, beantworte ich diese natürlich gerne. Weitere Informationen zum Programm finden Sie auch unter www.karrierewegementoring-rostock.de

Über Ihre Unterstützung würde ich mich sehr freuen!

Mit freundlichen Grüßen, ……“

Natürlich fand ich die Anfrage interessant und antwortete:

„Vielen Dank, ….., für Ihre freundliche Anfrage.

Aus den Informationen zum Mentoren-Programm sehe ich keine Angaben zur Honorierung der Mentoren, das ist aber ein wichtiger Faktor für jegliche Zusammenarbeit. Vielen Dank, wenn Sie mir dazu weitere Infos mailen.

Mit besten Grüßen,  Andreas Mäckler“

Folgende Antwort erhielt ich:

„Sehr geehrter Herr Dr. Mäckler,

vielen Dank für die schnelle Antwort.

Ein Mentor ist in erster Linie ein Berater, der seinen Mentee in dessen persönlicher und beruflicher Entwicklung unterstützen möchte. Dies ist eine rein ideelle Aufgabe und ist mit keinerlei finanzieller Entschädigung oder Bezahlung verbunden.

Sie profitieren von unserem Austausch durch neue Ideen und Impulse, eine mögliche Reflexion Ihrer eigenen Arbeit, können vielleicht neue Methoden kennenlernen und ihr Netzwerk erweitern. So könnte ich Ihnen durch meine Nachfragen beispielsweise helfen, Ihre Seminare noch besser auf die Biographenausbildung abzustimmen. Ein Austausch zwischen Personen mit gleichem fachlichen bzw. beruflichen Interesse ist nach meiner Erfahrung grundsätzlich fruchtbar.

Viele Grüße, ……“

Nun, das klang schon desillusionierender, und so antwortete ich:

„Verzeihen Sie, ….., wenn ich Ihrem Anliegen nicht entsprechen kann. Ein universitäres Mentoren-Programm ist selbstverständlich begrüßenswert, in dem Professoren mit Beamtenstatus und gut dotierte Dozenten den Studenten sehr hilfreich sein können (was, möchte ich einmal meinen, ohnehin zu deren Beruf gehört).

Wenn Sie mich jedoch ansprechen, sprechen Sie – im wirtschaftlichen Sinne – einen freien Unternehmer an, der vom Ertrag seiner Arbeit auf dem Markt, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird, eine Familie und mehr zu finanzieren hat. Diese Herausforderung füllt mich vollkommen aus. Daher kann ich leider keine ehrenamtliche Arbeit in meinem Berufsfeld leisten (so wie die wenigsten Zahnärzte, Juristen, Autowerkstätten etc. nicht ehrenamtlich in ihrem hochqualifizierten, von einer langen und teuren Startphase gekennzeichneten Beruf arbeiten können).

Wenn Sie als Biographin eine wirtschaftliche Existenz aufbauen wollen, werden Sie sehr rasch mit folgender Frage konfrontiert: „Ach, Sie schreiben Biographien? Das ist ja interessant! Kostet das was?“ Darauf müssen Sie eine Antwort finden, die zum merkantilen Erfolg führt, sonst können Sie Ihren Beruf nicht ausüben. Geld bedeutet neben der existenziellen Grundlage in unserer Wirtschaftsgesellschaft auch Wertschätzung, und ein Sprichwort sagt: „Was nichts kostet, ist nichts wert.“ Deshalb arbeite ich als Biograph grundsätzlich nicht honorarfrei.

Sie, ….., sind noch jung, was ein wunderbarer Start in die Zukunft ist! Daher finde ich Ihr Engagement bemerkenswert und freue mich, dass Sie mich angesprochen haben, auch wenn ich Ihnen keine günstigere Antwort geben kann. Wenn Sie wirklich in diesem Beruf arbeiten wollen, werden Sie es mit viel Anstrengung schaffen – auch ohne mich. Eine Mitgliedschaft im Biographiezentrum steht allen offen, dort wird auch ein reger kollegialer Austausch zu allen Fragen der Auftragsbiographik gepflegt.

Alles Gute!

Andreas Mäckler