Die Wikipedia ist für meine immer noch eine Quelle der Freude und des Ärgernisses zugleich, quasi Himmel und Hölle der Wissenschaftspublizistik. So auch jetzt bei diesem Beispiel: Am 1. Mai 2016 nahm ein „Jossi2“ in dem biografischen Artikel über mich folgende Änderung vor, meine Promotion an der Uni Marburg betreffend: „1989 wurde er dort bei

[[Wolfgang Kemp]] mit einer [[Dissertation]] über die Farbentheorie und Malpraxis der [[Anthroposophie]] promoviert.“


Das Passiv mag harmlos klingen, doch trifft es die Realität? Ich finde nicht, auch wenn im Duden beide Möglichkeiten als korrekt bezeichnet werden: Ich habe aktiv studiert, habe alle erforderlichen Zwischenprüfungen mit sehr guten Noten bestanden, entsprechende Bescheinigungen vorgelegt und wurde daher selbstverständlich zur Promotion zugelassen. Ich habe Prof. Wolfgang Kemp mein Promotionsthema vorgeschlagen und er hat es akzeptiert mit dem Hinweis, ein solches Thema – Malerei der Anthroposophie – vereitele seiner Einschätzung nach eine universitäre Laufbahn. Seine Bedenken nahm ich hin, weil eine solche Laufbahn mich nicht interessierte, schrieb meine Doktorarbeit und bestand das Rigorosum mit „summa cum laude“, während Wolfgang Kemp der Dissertation die Note 2 gab, was in der Promotionsurkunde zu einem „magna cum laude“ führte. Prof. Kemps Benotung verhinderte nicht, dass meine Publikationen zur Malerei der Anthroposophie nach einem Vierteljahrhundert auch außerhalb Deutschlands gewürdigt wurden – inzwischen auch im universitär-kunsthistorischen Bereich, der diese Kunstrichtung rund 100 Jahre lang verdrängt und kaum behandelt hat. In manchen Würdigungen bezeichnete man mich als „Pionier“ der wissenschaftlichen Aufbereitung dieser Kunstrichtung.

Nicht nur vor diesem Hintergrund (m)einer Promotion stellt sich mir die generelle Frage: Wird ein Doktorand promoviert (passiv) oder promoviert er (aktiv)? Meiner Ansicht nach ist das Passiv falsch, sofern der Doktorand die geforderte Leistungen selbstständig bringt und seinen Titel nicht irgendwelchen dubiosen Deals zu verdanken hat (Stichwort Dr. Googleberg, sowie gekaufte Titel). Beim Hürdenlauf und anderen sportlichen Herausforderungen wird ein Sportler auch nicht „promoviert“, sondern er erkämpft aktiv den Sieg (mit großen Mühen)! Auch eine Promotion wird aktiv erarbeitet und die Uni zertifiziert anschließend die Leistung.

„Promovieren“ sollte übrigens nicht mit „protegieren“ verwechselt werden, da ist das Passiv durchaus angemessen. In meinem Fall hat Wolfgang Kemp mich protegiert, aber weniger in der Promotion, dessen Thema ihm wenig zusagte, als vielmehr in der Vermittlung meines Volontariats und Lektorats beim Schirmer/Mosel Verlag (1989-1992). Dort war Wolfgang Kemp mit seiner vierbändigen Theorie der Fotografie und anderen Werken ein geachteter Autor, der dankenswerter Weise für mich ein Wort beim Verleger einlegte. Ohne ihn hätte ich die Stelle nicht bekommen, deshalb kann man hier zurecht von „protegieren“ sprechen.