Besatzungsmächte in Bergzabern
Die Jahre 1945-1949
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Am 25. März wurde ich zur Kommandantur der Amerikaner (ich glaube, es war das Haus Puder) befohlen, um ihre Verordnung entgegenzunehmen. Als ich das Zimmer betrat, setzte sich der Offizier auf den Tisch, langte nach einem Papierstoß und warf mir einfach die Verordnung entgegen, so dass ich sie auffangen musste. Morgenthau-Vorschrift! In der Verordnung war bestimmt, dass die Sparkasse vorerst geschlossen gehalten werden sollte. Wir hatten ein Büro im Hause Schimper aufgemacht und hielten es offen.
Franzosen lösten bald die Amerikaner ab und neue Verordnungen waren zu holen. Diesmal wurde ich zu einem französischen Kapitän namens Samuel, also ein Jude, geführt, der mich wiederum zum Kommandanten Metzger brachte. Man bot mir einen Stuhl an, und die erste Frage des Kommandanten war: »Sie haben doch die Sparkasse geschlossen?«

Das verneinte ich freimütig mit der Begründung, dass es Leute gäbe, die kein Geld mehr hätten und sohin doch bei uns holen müssten, und andere hätten Angst, ihr Geld könnte zu Hause geraubt werden (Tausende von ehemaligen Kriegsgefangenen, Polen, Russen, waren in der Kaserne untergebracht und zogen von dort auf Raub aus). Nach einigem Zögern billigte er mein Handeln und befahl, dass aber keinerlei Veröffentlichung geschehen dürfe. Den Grund hierzu würde er mir später einmal sagen. Er war angehalten, dass sie nicht eingreifen dürften, wenn von den Insassen der Kaserne Plünderungen vorgenommen wurden. Wir waren also vogelfrei, weshalb auch solche Plünderungen und auch mehrere Morde ungesühnt blieben. (Wirt Kamm starb an einem Stich in den Unterleib).

Unser bisheriger Landrat Jacobus spielte im letzten Halbjahr des Krieges eine klägliche Rolle. Er wehrte sich blödsinnigerweise gegen den Vorwurf, der NSDAP nicht mit dem Herzen geneigt zu sein. Wie alle Landräte wurde auch er abgesetzt, wobei ihm seine Rechtsverteidigungsversuche von der nun geschlagenen Partei nur schaden konnte. An seine Stelle trat ein Rechtsanwalt Gutting aus Landau.

Dieser rief mich eines Tages an: »Wir müssen zur französischen Kommandantur kommen.« Was man wünsche, wisse er nicht. Aber als wir vor dem Kommandanten standen, sagte Guttinger unvermittelt: »Das ist der Herr, der die Sache machen kann.«

Metzger erklärte darauf, wir würden nachmittags zusammen nach Rohrbach fahren zur Firma Odrich; ich sollte noch eine Schreibkraft mitbringen. Mittags ging es im Wagen des Kommandanten, den er selber steuerte, mit Kapitän Samuel, unserem Herrn Volk von der Kasse und mir zu Odrich. Dort angelangt hieß es, ich solle das Lager der Firma aufnehmen, worauf ich mich weigerte, denn ich sei ja kein Fachmann. Da fragte Metzger etwas gereizt: »Aber Möbel können Sie doch wohl aufnehmen?« Was ich achselzuckend annahm. So war ich zum Verwalter des beschlagnahmten Vermögen bestellt worden, gegen meinen Willen.

Eines Tages erhielt ich den Auftrag, bei einem früheren Eisenbahnbeamten
eine Vermögensaufnahme zu machen. Als ich das Wohnzimmer betrat,
sah ich nur ärmliches Dahinvegetieren.

Meine Tätigkeit beschränkte sich lange nur auf die Entgegennahme von Vermögensfeststellungen, die mir ehemalige Parteigenossen auf Anschreiben lieferten. Als schließlich von Kapitän Samuel die Forderung gestellt wurde, ich müsse von allen Parteimitgliedern das Vermögen unter Verwaltung nehmen, wies ich darauf hin, dass mir nicht bekannt sei, wer Parteimitglied gewesen ist. Da sollte ich mir eine Liste bei Kapitän Ralson holen. Als ich bei diesem melden ließ, hatte er keine Zeit für mich, und ich nun auch keine mehr für ihn, so dass es beim Alten blieb, nur auf Anweisungen zu handeln.

Eines Tages erhielt ich den Auftrag, bei einem früheren Eisenbahnbeamten eine Vermögensaufnahme zu machen. Als ich das Wohnzimmer betrat, sah ich nur ärmliches Dahinvegetieren. Die Frau zeigte mir das Schreiben der Eisenbahndirektion, wonach ihr Mann fristlos entlassen worden war und jede Beschwerde zwecklos dagegen sei. Der Mann lag zur Zeit in Heidelberg in der Klinik und hatte gerade eine Kehlkopfoperation hinter sich. Anstatt einer Möbelaufnahme, mehr war ja nicht da, veranlasste ich die Frau, am nächsten Morgen zum Gemeindesekretär zu gehen. Ich selber besuchte diesen sofort und forderte, dass er die ärmlichen Verhältnisse der Eisenbahndirektion und auch dem Landesamt meldet. Später begegnete ich dieser Frau mit ihrem Mann in Bergzabern auf der Straße, als sie auf dem Weg waren, mir für die »Hilfe« zu danken. Der Mann bekam Pension.

Mehrmals versuchte ich von diesem üblen »Amt« loszukommen, insbesondere als mir glaubhaft versichert wurde, das Herold sich um den Posten bemühe. Er habe Samuel mehrmals darauf hingewiesen, dass die Volksbank als Judenbank bezeichnet worden sei. Als ich bei Samuel darauf zu sprechen kam, Herold war zweifellos geeigneter als ich, wurde ich brüsk abgewiesen: »Kommt nicht in Frage!«

Aber ich fand nur »Reparaturbedürftiges«. Und als gleichwohl
die Beschlagnahme der Möbel gefordert wurde und man mir
sogar mit dem Militärgericht drohte, wurde ich fünf Wochen krank.

Vom Sommer 1946 an hatte ich es nicht mehr mit Franzosen zu tun, weil in Neustadt eine Stelle eingerichtet worden war, die die Aufsicht übernahm. Auch dort fand ich zuerst taube Ohren, als ich auf mein Alter und meine baldige Pensionierung hinwies. Als ein Rundschreiben die Beschlagnahmung von Schreibtischen und Bücherschränken anordnete und zudem noch von 30 Wohnzimmern, wobei ich von den Bürgermeister Hinweise erhalten sollte, wo etwas zu holen sei, da wurde es doch zu mulmig.

In meinem Bezirk, den ich als Sparkassenverwalter zu betreuen hatte, wollte ich keinesfalls ein Haus betreten, darum alsomal auf nach Annweiler! Der »blutige Knochen«, wie der dortigen Bürgermeister hieß, fertigte mit Vergnügen eine Listen mit Nazis an, von denen etwas zu holen sei. Aber ich fand nur »Reparaturbedürftiges«. Und als gleichwohl die Beschlagnahme der Möbel gefordert wurde und man mir sogar mit dem Militärgericht drohte, wurde ich fünf Wochen krank. Und da kam mir die »Erleuchtung«, dass doch ein Rechtsbeflissener von Landau, Schubart, der geeignete Mann wäre für diese Arbeit. Er war sofort dazu bereit, und ich präsentierte ihn noch am gleichen Tag in Neustadt, so dass man in seiner Gegenwart doch nicht ablehnen konnte.

Landrat Gütting, der dafür war »nur feste auf die Nazis«, musste bald wieder abziehen und war wohl froh, wenn er hiernach die Verteidigung von Nazis vor dem »Entlassungsgericht« übernehmen konnte. An seine Stelle als Landrat trat ein Dr. Graß.
Bei der Sparkasse waren die Nichtnazis dünn gesät und mussten erst beigeholt werden. So hatte ich die Ehre, in den Verwaltungsrat der Girozentrale zu gelangen, weil man auch die Einberufung der »Frischgebackenen« scheute.

Obwohl ich fest gewillt war, nicht länger als bis zu meinem 65. Lebensjahr Dienst zu tun, und im Februar 1947 mich vom Kreisarzt Dr. Schade untersuchen ließ, um einen plausiblen Grund für meine Pensionierung zu haben, ließ ich mich doch beschwichtigen, noch zwei Jahre länger Dienst zu tun, ja, ich hätte dann noch im Herbst 1949 mein 30. Dienstjahr erreichen mögen.

Dann kam die Ruhestandversetzung am 30. Juni 1949 sang und klanglos. Ich habe mich nicht einmal vom Landrat verabschiedet, weil man mich früher immer persönlich fand und den Abschiedbrief mir durch die Post zustellte. Aber vorher hatte ich doch noch verschiedene Versuche unternommen, die den Kurbetrieb Bergzaberns heben sollten, so hatte mir Herr Unkris, früher Regierungsrat hier und dann Landrat in St. Ingberg, auf meinen Wunsch Unterlagen geschickt, die die Notwendigkeit auswiesen für eine Einführung der Kneipp-Kuren. Aber ich fand hier keinen Anklang! Denn man hatte das Jahr 1942 geschrieben, hoffte auf großen Sieg und goldene Berge.
Jetzt aber waren die Nichtnazis bei der Sparkasse dünn gesät und mussten erst beigeholt werden. So hatte ich die Ehre, in den Verwaltungsrat der Girozentrale zu gelangen, weil man auch die Einberufung der »Frischgebackenen« scheute. Aber ich konnte nur an einer Versammlung teilnehmen, da hatte sie schon genug von mir. Ich hatte das Gefühl, dass die neuernannten Landräte, Bürgermeister und Oberbürgermeister eigentlich viel geldgieriger seien, als die abgesetzten. Als ich mich weigerte, ein Tagegeld von RM 25 einzustreichen, obwohl wir nur knapp zwei Stunden getagt hatten, erregte ich Missfall und man suchte sich einen besseren »Einstreicher«.

Nun gab es auch Raum für die »Schmierfinken«. Bei einer Versammlung im Jahre 1946 oder 47 durften ein »Beamter!« ungerührt sagen: »Es müsste erlaubt sein, ein Butterbrot anzunehmen!« Die Größe des Butterbrotes richte sich nach der Gier des Einzelnen und wird bestraft oder auch nicht bestraft. Die Tochter des Bundeskanzlers durfte sich einen »Leihwagen« schenken lassen. Da komme ich nicht mehr mit!

Ein Franzosenspitzel durfte sich bei uns breit machen, ehemalige Nationalsozialisten im Gefängnis schlagen, ohne dass jemand Einwände dagegen erhob. Als er Gefallen an meiner Branda bekundete, kam er falsch an. Er hatte sie schon mal an die Leine genommen und bis zum Hof der Kommandantur mitgenommen, wo er sie wieder laufen ließ, weil eine Frau, deren Name ich nicht mehr weiß, darauf aufmerksam gemacht hatte, dass es mein Hund sei, der ihn nichts anging, und als er trotzdem davonging, ihm nachlief bis in den Hof der Kommandantur.

Nun kam dieser Bursche eines Tages mir entgegen, als ich gerade ein Büro im Landesamt, dass damals in der Landwirtschaftsschule residierte, verlassen wollte. Er blieb stehen mit der Frage: »Wem gehört der Hund?«
Meine Entgegnung: »Sagen Sie erst mal, wer Sie sind!«
Da holte er seinen Spitzelausweis hervor und gab ihn mir. Beim Rückempfang meinte er höhnisch: »Jetzt werden Sie ja wohl wissen, wer ich bin.«
Ich dagegen: »Oh ja! Mein Name ist Geiß.«
Und damit ging ich davon. Auf dem Heimweg überholte er mich und bemerkte, ich hätte wohl noch die alten Nazibosse im Kopf, worauf ich hinwies: »Oh, nur etwas Sinn für Gerechtigkeit.«

Ich schilderte heimgekehrt sofort in einem Bericht an die Kommandantur diesen Hergang und der Bursche schien daraufhin das Interesse an meiner Branda verloren zu haben. Wenige Wochen danach war aus der Zeitung zu entnehmen, dass ihn die Franzosen wegen seiner Gaunerein eingekapselt hatten.

Hier möge auch noch nachgetragen sein, dass die Nationalsozialisten 1935 glaubten, einen Grund zu haben, um mich abzusetzen.
Damals war verboten, Gemeinden und Gemeindeverbänden Kredite zu gewähren. Am Gründonnerstag hatte eine Entwässerungsgesellschaft (Gemeindeverband) kein Geld in den Kassen, um ihre Arbeiter zu bezahlen, das von der Regierung hätte rechtzeitig angewiesen werden sollen. Ich zahlte die Summe, gab also ungenehmigten und unstatthaften Kredit. Monate später kam man dahinter und forderte Rechenschaft von mir unter gleichzeitiger Androhung, dass ein Verfahren zur Dienstentlassung gegen mich eingeleitet sei.

Meine Antwort: Wenn ich vor den Feiertagen die Zahlung verweigert hätte, wäre nicht nur ich als herzlos in verschiedenen Gemeinden angeprangert worden, sondern auch die Regierung hätte abbekommen, weil sie die notwendigen Mittel nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt hatte. Da schlief das Verfahren ohne weiteres ein.

»Ich glaube, wenn Sie fragen, bekommen Sie keinen Korb.«

Im Sommer 1948 kam die Währungsumstellung, die die Bergzabener Geschäftswelt diesmal besser verkraftete wie 1924. Wir bekamen zuerst wenig Darlehens- und Kreditgesuche, und als noch eine Kreditsperre hinzu kam, arbeiteten wir mit Verlust.

1949 ging die Villa Karcher in die Hände eines Hoteliers über, und das kam so: Ein Herr Knipp war Verwalter dieser Villa (die sich etwas abseits der Straße Birkenhördt/Böllenborn befand), weil sie kaum noch besucht wurde.

Auch dieser Knipp war gestorben, und nur seine Witwe wohnte im Nebenhaus der Villa, zu der ihr Sohn Theo Knipp samstags heimkehrte, der in Kaiserslautern Bankangestellter war und bei der Besitzerin der Villa Paula Munzinger geb. Karcher, als ehemaliger Spielkamerad wohnen durfte.

Dieser stattete mir manchmal an freien Tagen einen Besuch ab, und bei einer solchen Gelegenheit fragte ich ihn, ob die Villa nicht zu kaufen sei. Hierauf kam die Antwort: »Ich glaube, wenn Sie fragen, bekommen Sie keinen Korb.«

Gleich am folgenden Tag schlug ich dem damaligen Bürgermeister vor, die Villa für die Stadt als künftiges Kurhaus zu kaufen. »Denn ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass in der Ecke Birkenhördt/Böllenborner Straße genauso gut Mineralwasser erbohrt kann wie in den Rötzwiesen.«

Der Stadtrat gab sein Einverständnis, und der Meister und ich fuhren nach Kaiserslautern zu Munzinger. Man rechnete mit einer Forderung von DM 80.000. Stattdessen wurde nur DM 50.000 gefordert und der Bürgermeister handelte noch DM 5.000 herunter auf DM 45.000. Da schämte ich mich, mitgekommen zu sein. Und dann fehlte der Mut zum Kaufabschluss trotzdem!

Nun erschien eines Tages der Landrat Dr. Graß bei mir und erzählte, dass Herr Schmitt aus Pirmasens für seinen Neffen Gaststätten suche und glaube, im Torbogen des Weintors Schweigen (die Gaststätte dort war noch nicht wieder aufgebaut) könne eine solche eingerichtet werden. Darum wollten sie nachmittags dorthin. Ich verwies auf die Villa Karcher, die man zweckmäßig umbauen könnte. Das Geschäft wurde perfekt, Schmitt kaufte für sich selber und baute das Parkhotel daraus.

Und damit ging auch meine »Nebentätigkeit« als Sparkassenverwalter zu Ende.