Lutz von Werders Bücher zum autobiographischen Schreiben sind eine Quelle der Inspiration – eines habe ich kürzlich ja besprochen. Mehr noch: Sie nicht durchzuarbeiten heißt, die eigene Biographie in ihrem Facettenreichtum nur ungenügend auszuloten. So widmet sich sein neues Werk der Heldenreise. Ich werde es für den Deutschen Biographiepreis 2010 nominieren.

Sicher hatten auch Sie immer wieder das Gefühl, Ihr Leben sei tiefer und kostbarer, als das tägliche Allerlei im Hamsterrad vermuten lässt. Diesen Wunsch nach Größe und Bedeutung, den der winzige Mensch im Universum seit Angedenken hegt, formuliert Lutz von Werder in seinem neuen Buch zeitaktuell: „Das Problem ist, viele Menschen sind heroischer als sie denken. Die heutige Welt braucht heroische Menschen, die angesichts größter Herausforderungen sich als Helden des Alltags erkennen und wissen, dass sie auf der Heldenreise für Männer wie für Frauen unterwegs sind.

Die „Heldenreise“ können Sie ruhig auch bei diesem Buch wörtlich nehmen, wenn Sie es zur Hand nehmen, denn Sie sollten es nicht nur lesen, sondern damit arbeiten, und zwar vom ersten Kapitel an. Es ist eine wunderbare Fundgrube voller Übungen zum biographischen Schreiben mit dem Schwerpunkt der Selbstmythologisierung. „Schreiben Sie Ihren Tageslauf zwei Mal, zum ersten ganz banal: die Fakten vom Aufstehen bis zum Ins-Bett-Gehen. Den zweiten Tagesablauf verwandeln Sie dann in ein Geheimnis. Beschreiben Sie möglichst viele Apskete der Begegnung mit dem Geheimnisvollen.“

Schon Goethe hatte geschrieben: „Ich kehre in mich selbst zurück und finde eine Welt.“

Nun geht es nicht nur um alten Mythen, in sich Götter und Helden der Antike wieder aufleben zu lassen – nehmen wir Herkules als Idealbild des Mannes. Schon der amerikanische Traum vom „Tellerwäscher zum Millionär“ ist ein Mythos, der sich heute in der Finanzkrise vielfach umkehrt. Wie das Kaninchen vor der Schlange verharren viele Menschen daher in einem „Mythos der Hilflosigkeit und Ohnmacht“, wie von Werder konstatiert. So lautet denn auch eine Übung: „Legen Sie eine Liste an, die Ihre großen Krisen auflistet und die Lösungen, die Sie zur Beendigung der Krise gefunden haben.“

Gut gefällt mir die Imagination, die vier Prozesse des eigenen Geburtsprozesses niederzuschreiben: „Mein Leben als Fötus. Meine Erlebnisse im Geburtskanal. Das Überstehen des Todes während der Presswehen. Mein Ankommen in der Welt.“ Und ja: Die vielen Variationen zur „Zeugung des Helden“ – der auch eine Heldin sein kann – gefallen mir als frisch gebackender Vater einer wundersüßen Tocher ohnehin…

„Der Heldenweg durch das Chaos des Lebens ist nicht für wenige da, sondern für alle“, schreibt Lutz von Werder – auch wieder so ein Mythos, woran Sie sehen, wie wichtig die Aufarbeitung unserer Glaubenssätze und tieferen Seelenschichten ist, denn durch das Schreiben persönlicher Mythen schaffen wir unsere inneren Vorbilder und Leuchtfeuer, die uns Orientierung geben in der Finsternis. „Das Schreiben von persönlichen Mythen kann Verdrängtes und Tabuisiertes gestalten. Persönliches Mythenschreiben ist immer autobiographisch. In seinem Kern ist der persönliche Mythos nicht Biographie, sondern Autobiographie von Krisen und ihrer Bewältigung. Wie im Traum befriedigt der persönliche Mythenschreiber infantile und asoziale Wünsche, die ihn ohne die mystische Gestaltung neurotisch machen würden.“ Kurzum: „Betrachten Sie Ihr Leben als einen Mythos, der von dem Aufbruch, von dem Abenteuer und der Rückkehr des Helden handelt.“

Ein hübsches Phantasiespiel, das sich in sogenannten Rückführungen noch intensivieren lässt, sind biographische Projekte a la „Mein Leben als antiker Held oder antike Heldin“ – selbst wenn Spötter Reinkarnierten gern entgegenhalten, es sei traurig, dass sich starke Persönlichkeiten wie Jesus, Napoleon etc. offensichtlich nur nach unten reinkarnierten… Humor also sollten Sie als Held haben!

Was glauben Sie, welcher Heldenreise-Typ Sie sind? Der Krieger? Der Suchende? Der Magier? Der Weise? Der Narr? Wo immer Sie sich ansiedeln, ächzen müssen alle, weshalb schon Schopenhauer meinte: „Mensch sein heißt leiden.“ Manch einer begreift die Welt als Straflager, C. G. Jung empfand das Leben als Nachtmeerfahrt. Auf die Suche nach Klärung und Erlösung gehen sie alle.

Gerade in Phasen, wo uns der Sinn des Lebens zweifelhaft wird, bietet sich das Modell der Heldenreise an, den eigenen Lebenssinn wiederzufinden und dadurch gestärkt aus der Krise hervorzutreten, selbst wenn Sie – wie so manch anderer Held – erstmal durch die Hölle gehen müssen, um zum Paradies zu gelangen. Dieses Buch hilft Ihnen auf Ihrem Weg!

Unsere Workshops zur biographischen Arbeit  finden Sie u.a. hier.