Eben bekam ich einen Schreck. Ich schaute im Archivregal nach, wann ich für Mediakonzept Karmann in München das Drehbuch zum Dokumentarfilm „Wissen ohne Ende – Brockhaus und Meyer – Vom Lexikon zu Multimedia“ geschrieben hatte: 1998 (Deutsche Welle TV). Also vor rund zwölf Jahren – so lange ist es her, dass ich Christoph Poschenrieder kennengelernt habe. 

Christoph hatte als Drehbuchautor bei Fritz Karmann bereits einige Dokumentarfilme geschrieben, die mir Vorbild waren (darunter „Das Jahrhundert der Technik“, BR 1998). Als Neuling hatte ich damals keine Ahnung vom Film-Business und vom Drehbuchschreiben, und Christoph half mir mit guten Tipps, das Drehbuch in gute Form zu bringen. Es blieb mein einziges – die Filmwelt war nicht meine Welt, wie sich schnell im Laufe der Zusammenarbeit mit der Filmproduktion zeigte. Ich glaubte an den Autor und dessen maßgeblicher Instanz für die Produktion, wurde jedoch rasch belehrt, dass er in diesem Gewerbe zumeist kaum mehr als ein Wasserträger ist. Dazu hatte ich keine Lust.

Zwei Punkte erscheinen mir heute bezeichnend: Christoph hatte schon damals ein aussergewöhnliches Sprachvermögen, mit dem er mir kollegial und unprätentiös half, Unzulänglichkeiten im eigenen Skript auszubügeln, und er unterstützte mich bei der Recherche. Er machte mich auf die Verbindung des Philosophen Arthur Schopenhauer zu F. A. Brockhaus aufmerksam, und auf Schopenhauers Wutbrief an den Verleger. „Es liegt am Tage, dass bei Ihnen Wort und That, Versprechen und Halten, zwei sehr verschiedene Dinge sind. […] Ich habe nicht des Honorars wegen geschrieben, wie die Unbedeutsamkeit des Selben von selbst beweißt; Sondern um ein lange durchdachtes und mühsam ausgearbeitetes Werk, die Frucht vieler Jahre, ja eigentlich meines ganzen Lebens, durch den Druck zur Aufbewahrung und Mitteilung zu bringen. Woraus folgt, daß Sie nicht etwa mich anzusehen und zu behandeln haben wie Ihre Konversationslexikons=Autoren und ähnliche schlechte Skribler, mit denen ich gar nichts gemein habe als den zufälligen Gebrauch von Tinte und Feder.“

Dieses Zitat Schopenhauers aus dem Jahr 1818 fügte Christoph auch in die Eingangsszene seines Romans ein: Die Welt ist im Kopf, der am 27. Februar 2010 im Diogenes Verlag erschienen ist.

Ein wenig erschüttert bin ich, dass die zwölf Jahre mindestens auch die Arbeitsjahre sind, in denen Christoph Poschenrieder an diesem, seinem ersten Roman, gearbeitet hat – völlig gegen den Trend des Quick and Dirty, der schnellen Produktion und Konsumption von Literatur (und Film). Doch herausgekommen ist ein wunderbares Buch! Christoph Poschenrieders Debüt liest sich von der ersten Seite an wie ein filigranes Meisterwerk des frühen 19. Jahrhunderts, das die Zeiten überdauern kann. Es wäre kaum verwunderlich, wenn der Roman verfilmt würde, so visuell und szenisch ist er geschrieben. Ein Genuß zu lesen!

Aus der Verlagsinformation: „Genug studiert – nun will er leben: Eine monatelange Reise führt den jungen Arthur Schopenhauer von Dresden nach Venedig, von Goethe zu Lord Byron, über schroffes Gebirge und weite Täler ins Labyrinth der Kanäle, in den Strudel der Wirklichkeit – und zu Teresa.“

Ein Interview mit dem Autor finden Sie hier: interview_mit_christoph_poschenrieder[1]