Ihr Tod am 12. Februar 2009 berührte mich. Wir lernten uns 1991 kennen, da machte ich ein biographisches Interview-Buch mit dem österreichischen „Schockmaler“ Gottfried Helnwein („Malerei mus sein wie Rockmusik“ – Gottfried Helnwein im Gespräch mit Andreas Mäckler). Während der Arbeit bereitete ich schon ein Nachfolge-Projekt vor. So nahm ich Kontakt mit Domenica auf, die damals ihren Beruf gewechselt hatte und Streetworkerin geworden war.

Domenica hatte durchaus Interesse an dem Buchprojekt – natürlich gegen Vorauszahlung. Wir vereinbarten 1.000 DM pro Interviewstunde, ich rechnete mit acht Interviewstunden (also 8.000 DM Vorschuss), um damit rund 240 Manuskriptseiten zu füllen. So trafen wir uns an drei Wochenenden im Sommer 1991 in ihrer kleinen 3-Zimmer-Wohnung im Hamburger Viertel St. Georg. Bei jedem Interview weinte Domenica, denn meine Fragen waren freundlich, aber nicht harmlos.

Freunde, denen ich von dem Projekt erzählte, fragten mich, ob ich nicht…? Bei 1.000 DM pro Stunde könnte doch auch ein Nümmerchen… Nein, habe ich nicht und wollte auch nicht! Es ist anderen vielleicht schwer zu vermitteln, dass Deutschlands prominenteste Ex-Hure (sie hatte damals noch einige Privatkunden, um ihr schmales Sozialarbeiterinnen-Gehalt aufzubessern) vollkommen unerotisch auf mich wirkte. Ihre Wohnung war schmuddelig und stank, sie rauchte 1-2 Packungen Zigaretten täglich (das hat wohl auch ihren frühen Tod bewirkt), trank und war in ihrem Innersten ein zutiefst trauriger, selbstzerstörerischer Mensch. Doch das zeigte sie nicht in der Öffentlichkeit. Schaute man ihr Gesicht und ihren Körper jedoch genauer an, sah man diesen Zug schon damals.

In Gesellschaft war sie Unterhalterin, Domenica hatte Charisma. Nach einer NDR-Talkshow, zu der ich sie begleitete, saßen die Teilnehmer mit den Moderatoren später in der Kantine – und jeder sah neben Domenica blass aus. Sie zog alle Blicke auf sich und dominierte, und das auch zu Hause, weshalb eine feste Partnerschaft wohl für sie unmöglich war. Der Mann („mein Hausmeister“), den ich während der Interviews bei ihr kennenlernte, machte für sie Einkäufe und spielte Chauffeur, dafür durfte er hin und wieder ran – wie sie mir mit einem Augenzwinkern sagte. (Galgen-)Humor hatte Domenica. Vergleicht man die frühen Lobgesänge auf sie aus der Feder von Wolf Wondratschek und anderen Poeten (70-er / frühe 80-er Jahre) mit Domenicas Lebensrealität später, schrumpft das vermeintlich Mondäne zum kleinbürgerlichen Format. Vermutlich war ohnehin das Meiste nur Männerphantasie und -projektion, was ihr an Zuneigung entgegen kam.

Domenica selbst brachte die Zerrissenheit in meinen Interviews zur Sprache: „Unsere Familie war nicht vom Glück beschattet.“ Seit ihrer Kindheit singe sie nicht, um ihren rheinischen Frohsinn auszuleben (der zumeist nur in Gesellschaft herauskam), sondern um damit dunkle Wolken aus ihrem Gemüt zu verdrängen.

Unser Interviewbuch ist übrigens nie erschienen. Der Verlag Droemer/Knaur wollte es publizieren und hatte dafür 30.000 DM Vorschuss geboten, doch Domenica sprang vorher plötzlich ab und ließ ihre Lebensgeschichte und -philosophie von einem ihrer Hamburger Autorenfreude noch einmal neu schreiben, als „richtige“ Autobiographie, nicht als Interviewbuch. Immerhin wollte sie mir meine im Voraus bezahlte 8.000 Mark wieder zurückgeben. „Ich habe auch manche Gäste manchmal umsonst bedient“, meinte sie treuherzig zu ihrem Angebot. Doch das war mir zu wenig. Ich ließ sie von einem Anwalt auf Schadensersatz verklagen, gewann in beiden Instanzen, und Domenica musste mehr an mich zahlen, als ihr vielleicht lieb war.

Böse war ich Domenica nie. Für mich spiegelten sich in ihrer Persönlichkeit die Untiefen zwischen medialem Schein und realem Sein. Vielleicht hat sie jetzt mit ihrem Tod Frieden gefunden, den sie in ihrem Leben nicht fand.