Heute erhielt ich eine E-Mail, die mir einmal mehr zu denken gab. Mit Einverständnis der Autorin Eika Bernauer gebe ich die E-Mail hier wider und kommentiere sie anschließend.
Sehr geehrter Herr Dr. Mäckler,
ich interessiere mich sehr für eine Ausbildung zur professionellen Biografin, da ich diese Arbeit – nach allem, was ich darüber gelesen habe – für äußerst spannend und sinnvoll halte.
Allerdings habe ich erhebliche Zweifel, ob es wirklich realistisch ist, vom Schreiben von Biografien leben zu können.
Zum einen vermute ich, dass die Mehrzahl der Leute, die ihre Autobiografie schreiben wollen, dies selbst tun und sich allenfalls Literatur zum Thema kaufen oder Seminare besuchen.
Zum anderen habe ich mir die Angaben der BiografInnen auf www.deutsche-biografische-gesellschaft.de in Bezug auf die Anzahl der Biografien, die sie bereits geschrieben haben, genau angesehen. Leider konnte ich nicht feststellen, wann diese Website zuletzt aktualisiert wurde, doch die Zahlen finde ich relativ gering:
Brömmelhaus: „seit 2003 3 Stück“
Decker: „seit letztem Jahr 2 erschienen, 2 in Arbeit“
Füchsel & Hiller: „in 2 Jahren 6 Biogafien und 2 Firmengeschichten“
Gabele & Simon: „seit 2004 8 Stück“
Scheffler: „seit 2001 10 Stück“
Mir scheint also, dass das tatsächliche Schreiben von Biografien nur ein Teil eines Gesamtpakets sein kann, bestehend weiters aus Seminaren, Erzählcafes, etc.
Ich würde nun gerne wissen, ob ich mit dieser Vermutung richtig liege und wie hoch Sie den prozentualen Anteil der Biografien an einem „Gesamtpaket“ einschätzen, mit was auch immer der Rest dann gefüllt ist: z.B. 50% Schreiben von Biografien und 50% anderweitige Aktivitäten, um relativ vernünftig und langfristig davon leben zu können?
Herzlichen Dank für Ihre Mühe!
Mit freundlichen Grüßen,
Eika Bernauer
www.eukvision.at
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Vielen Dank, Frau Bernauer! Gern kommentiere ich Ihre Mail.
Im Deutschen Ärzteblatt 2010 ; 107 (38): A-1829 / B-1605 / C-1581 gibt Rohnstock Biografien als Marktführer rund 250 geschriebene Biografien seit dem Gründungsjahr 1998 an.
Referenzen der Mitglieder des Biographiezentrums finden Sie hier. Referenzen von mir finden Sie hier.
Die Aussendarstellung der Deutschen biografischen Gesellschaft halte ich schon lange für mangelhaft, kommentiere dazu aber nicht mehr. Von Matthias Brömmelhaus weiß ich jedoch, dass er mehr als 3 Auftragsiographien seit 2003 geschrieben hat.
In den Kursen der Akademie des Biographiezentrums weise ich darauf hin, dass Auftragsbiographien ein lukratives Geschäftsfeld für Autoren sind, die sich jedoch zunächst mit einem 2. Standbein in das Metier einarbeiten sollten. Realistische Umsätze im 1. Jahr sind 5.000 bis 15.000 Euro, bzw. ein bis zwei Biographien. Meine Umsätze als Autor, Ghostwriter und Buchhersteller liegen im oberen fünfstelligen Bereich pro Jahr.
Leider sind die wenigsten Anbieter biographischer Dienstleistungen erfolgreich, was meiner Ansicht nach nicht am Markt, sondern an ihnen selbst liegt. Die meisten zeigen weder Professionalität noch Erfolgswillen. Manche sind einfach auch nur doof (siehe hier).
U.a. deshalb bieten wir in unserer Akademie des Biographiezentrums Aus- und Weiterbildungen für angehende Biographen an.
Unsere erfolgreichsten Absolventen nach rund zwei Jahren Lehrtätigkeit sind u.a. Claudia Cremer, Kerstin Murmann und Andrea Richter. Sie geben auch Referenz für unsere Arbeit.
Die E-Mail von Frau Bernauer ist sehr interessant, weil sie viele Punkte anspricht, die oft leider verschwiegen werden.
Meine Einschätzung: In Deutschland gibt es nicht mehr als ein Dutzend „personal historians“, die ausschließlich von den Einnahmen aus dieser Tätigkeit leben. Ich gehöre zum Glück dazu.
Zudem haben viele Branchenfremde eine völlig überzogene Vorstellung davon, was freie Autoren und Schriftsteller in unserem Land verdienen. Diese Erfahrung mache ich immer wieder im Gespräch mit „Newbies“;
Zu meiner Person stehen übrigens andere Zahlen auf der DbG-Website. Dort heißt es:
„Meine ersten Biografien schrieb ich in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. Damals war das Interesse am Bewahren der eigenen Lebensgeschichte aber noch nicht so groß wie heute und ich arbeitet anschließend in anderen Bereichen. 2003 gründete ich den Autobiografieservice in Konstanz am Bodensee. Seitdem habe ich etwa 20 Biografieprojekte realisiert.“
Auch wenn die Zahlen nicht mehr ganz aktuell sind (es sind inzwischen mehr realisierte Biografien), spielt das für die Gesamteinschätzung keine Rolle.
20 realisierte Projekte in sieben Jahren würde bedeuten: rund 3 Projekte im Jahr. Konkret waren es bei mir im Schnitt der letzten Jahre 4,4. Anscheinend ist Frau Bernauer der Meinung, dass drei Biografien im Jahr nicht ausreichend sind, um (Zitat) „vernünftig und langfristig davon leben zu können?“ Genau hier liegt die Fehleinschätzung, an der die meisten Biografen scheitern und durch die der gesamten Branche erheblicher Schaden zugefügt wird.
Immer noch gibt es unzählige Kolleginnen und Kollegen, die ihre Arbeitsleistung zu einem Spottpreis verkaufen – und dann darüber lamentieren, dass man ja vom Biografieschreiben nicht leben kann.
Ich erziele mit vier bis fünf Biografien den Jahresumsatz, den ich brauche – mehr könnte ich auch gar nicht schreiben bzw. müsste dann die Qualität meiner Arbeit deutlich herunterschrauben.
Zur Professionalität eines Biografen gehört auch eine faire und dem Kunden gegenüber transparente Honorargestaltung. Ich verstehe nicht, dass es nur so wenige Biografen im deutschsprachigen Raum, die schon auf ihrer Webseite die Kosten für eine Biografie transparent darstellen, wie ich es seit Jahren praktiziere. Nach wie vor wird hier, wie ich es gerade bei Testanfragen wieder feststellen musste, von vielen Anbietern biografischer Dienstleistungen getrickst und verschleiert – sehr zum Schaden unserer Branche.
Ansonsten kann ich dem, was der Kollege Mäckler zu Professionalität und Erfolgswillen geschrieben hat, nur zustimmen.
Bezüglich der Anzahl der von Herrn Brömmelhaus geschriebenen Biografien habe ich mich tatsächlich geirrt! Es sind laut Angabe auf der Seite der Deutschen Biografischen Gesellschaft seit 2003 20 Stück. Da muss mir der Dreier von 2003 dazwischengerutscht sein. Bitte um Entschuldigung!
Die Zahlen von Rohnstock Biografien würde ich hinterfragen. In anderen Zeitungen ist von bisher 150 Biografien die Rede. Da wird einiges getürkt mit Hilfe der Medien, was ja kein Problem ist, da Behauptungen journalistisch kaum überprüft werden. Bei Rohnstock sollte man Vorsicht walten lassen.