Eben erreichte mich die Ausschreibung meines Kollegen Matthias Grenda, die ich hier gerne weitergebe:

„Klapperstorchgeschichten“
Ein generationsübergreifendes Erzähl- und Schreibprojekt

Mama, wo kommen die kleinen Babies her?

Ja, woher kommen sie denn eigentlich? Wie kommen sie auf die Welt?
Werden sie vom Storch gebracht? Oder hat die Hebamme sie in ihrer großen Tasche dabei? Was haben Sie als Kind geglaubt, wo die kleinen Kinder herkommen? Was haben Ihnen Ihre Eltern oder auch Großeltern darüber erzählt? Wie wurden Sie aufgeklärt und von wem?

Das „Märchen vom Klapperstorch“ ist eigentlich kein Märchen, sondern ein Mythos, der vom Storchen als Glücksvogel berichtet, sich ab dem 17.
Jahrhundert zunehmend auch bildhaft verfestigt und erklären soll, wo die kleinen Kinder herkommen. Diese Erklärung ist nirgends zu einer eigenen Geschichte ausformuliert, nur der Inhalt, die Kunde davon, wurde von Generation zu Generation weitergegeben.

„1950 machte unsere Lehrerin mit uns Erstklässlern einen Ausflug zu einer gefassten Quelle im Feld und erzählter uns, hier würde der Storch die kleinen Kinder holen und den Eltern bringen.“ Dazu gehörte auch die Behauptung, der Storch hätte der Mutter ins Bein gebissen, so dass sie wie eine Kranke im Bett liegen musste. Wenn die Kinder einen Storch sahen, riefen sie „Storch, Storch, guter, bring mit einen Bruder“ oder „Storch, Storch, bester, bring mir eine Schwester“.

Ab Ende der 1960iger Jahre verschwand der Klapperstorch zunehmend als Aufklärungsvehikel der Eltern. Die Schulen behandelten das Thema Kinderkriegen im Biologieunterricht. Der Mythos und der Klapperstorch als Symbol sind aber geblieben. Die Gesellschaft für biografische Kommunikation e.V. möchte nun generationsübergreifend diese Geschichten einsammeln und bittet dabei um ihre Mithilfe.

Schreiben Sie oder erzählen Sie uns Ihre Klapperstorchgeschichten oder wie Sie aufgeklärt wurden! Oder reden Sie als Biographen mit Menschen aus Ihrem Umfeld. Uns interessieren alle Geschichten, solche zum Schmunzeln aber auch solche, die nachdenklich stimmen. Und keine Bange, niemand soll mit seinen Aufklärungsgeschichten bloßgestellt werden. Alle Klapperstorchgeschichten, die dann im Rahmen des Projektes veröffentlicht werden sollen, werden nur mit dem Vornamen und Alter der Autoren versehen. Die beigefügten Geschichten sollen als Beispiele dienen.

Wir freuen uns auf Ihre Beteiligung.

Mit herzlichen Grüßen

Matthias Grenda
Gesellschaft für biografische Kommunikation e.V.

Beispiele:

Emilie, 85 Jahre

An die Geburt meiner Brüder Paul und Edmund kann ich mich nicht mehr erinnern, wohl aber daran, wie Else, das elfte und letzte Kind unserer Familie, zur Welt kam. Es begann damit, dass mein ältester Bruder Ede, der schon lange nicht mehr zu Hause wohnte, zu Besuch kam. Wenn ihr Ältester kam, dann wurde meine Mutter ganz formell, band sich die Schürze ab und setzte sich mit ihm nicht etwa auf die Küchenbank, sondern um die Ecke in die Stube, so wie sie es sonst nur mit Besuch tat, der nicht zur Familie gehörte. Er war aber auch schon ein richtiger Herr.
Wie immer wenn Besuch kam, versuchte ich, in der Nähe zu bleiben.
Vielleicht gab es ja etwas Interessantes aufzuschnappen. Meist verhielt ich mich in solchen Situationen ganz still und hielt mir ein Buch vor die Nase, dann wurde ich schnell vergessen und bekam so einiges mit, was nicht für meine Ohren bestimmt war.
Auch an diesem Tag erfüllte sich meine Hoffnung auf Neuigkeiten! Mutter setzte sich zu Ede und sagte ziemlich still: „Wir bekommen noch einmal Zuwachs.“ Ede erwiderte: „Ach, das hätte doch nun wirklich nicht mehr nötig getan!“
Diese beiden Sätze gaben mir wochenlang zu denken. Ich war sicher, dass Mutter gemeint hatte, wir würden noch ein Kind bekommen, wenn ich auch keine Ahnung hatte, wie und woher es kommen würde. Ich verstand nicht, warum es ihr offensichtlich unangenehm gewesen war, das ihrem ältesten Sohn zu erzählen, der schon verheiratet war und wo auch ein Kind kommen sollte, und warum Ede das unnötig fand. Hatte man das denn selber in der Hand? Konnte man etwas dafür oder dagegen tun? Wo kamen die Kinder überhaupt her?
Ja, ich hatte wirklich viel zu denken, brachte aber in meiner Naivität Mutters dicken Bauch nie in Zusammenhang mit dem erwarteten Nachwuchs.
Der Nachmittag, an dem Else geboren wurde, fing schon merkwürdig an.
Alle meine Geschwister waren unterwegs, zum Spielen oder arbeiten, und das kam bei so vielen Kindern wirklich selten vor.
Ich hatte Hof und Haus ganz für mich. Nicht einmal meine Eltern waren zu sehen. Ich lief von Tür zu Tür und klopfte. An der Schlafzimmertür hatte ich Erfolg. Vaters Stimme ertönte: „Hier darf jetzt niemand rein, erst wenn ich euch rufe. Geht raus, spielen!“
Im selben Moment hörte ich meine Mutter jammern, furchtbar laut. Zu Tode erschrocken lief ich weg.
Nach einiger Zeit sah ich, wie Vater den Federwagen anspannte, um wegzufahren. „Wohin fährst du und was ist mit Mama?“ „Ich hole eine Frau, die wird helfen, dass du ein Geschwisterchen bekommst.“
Damit fuhr er davon.
Schön und gut, aber was war mit Mama? Wenn mein Vater nicht mehr da war, konnte ich doch schnell ins Schlafzimmer laufen und nach ihr schauen!
Aber schon an der Tür wurde ich sehr barsch von einer Nachbarin
abgewiesen: „Nun stör nicht immer! Geh in die Scheune und warte, bis du gerufen wirst!“
Selten ist mir ein Nachmittag so lang geworden. Ich saß, wie mir befohlen worden war, in der Scheune, hatte immer noch das Stöhnen meiner Mutter im Ohr und sorgte mich. Endlich, nach einer unendlich langen Zeit, rief mein Vater nach mir: „Milusch! Du darfst ins Schlafzimmer! Du hast ein Schwesterchen bekommen.“
Erlöst nahm ich wahr, dass meine Mutter mir zulächelte, als ob nichts gewesen sei. „Warum ist das Baby so rot?“, fragte ich als erstes. „Alle Babys sind so“, antwortete meine Mutter, aber ich vermutete, dass die Frau, die mein Vater geholt und die mit einer großen Tasche im Haus verschwunden war, das Baby in der Tasche mitgebracht und aus Versehen zu stark gedrückt hatte. Alle waren zu höflich, ihr deswegen Vorwürfe zu machen.

Aber wenigstens wusste ich jetzt, wo die Babys herkamen.

Antonia, 83 Jahre

Ja, und damit begann die Zeit, wo ich nur in anderen Umständen war. 1949 ist Hermann geboren und dann mal mit einem, mal mit anderthalb Jahren Abstand die nächsten Kinder. Man könnte fast sagen, ich bin zwanzig Jahre in Umständen gewesen. 13 Kinder und zwei Fehlgeburten. Das war mein Leben. Manchmal frage ich mich heute, wie ich das eigentlich gemacht habe. Wir hatten immer mindestens zwei, manchmal sogar drei oder vier Wickelkinder und es gab noch keine Papierwindeln, nur Stoff, und es gab noch keine Waschmaschine.
Was diese Zeit am besten kennzeichnet ist wohl, dass ich die ersten Jahre in Vreden niemanden gekannt habe. Ich kannte niemanden, keiner kannte mich. Ich war einfach immer nur zu Hause. Wenn ich damals die Wahl gehabt hätte, hätte ich nicht so viele Kinder bekommen. Aber das war ein Tabuthema, da sprach man nicht drüber. Wir waren ja auch nicht die einzige Großfamilie. Die Nachbarn zur einen Seite hatten elf, die zur anderen Seite neun Kinder. Das war eben so.
Ich glaube, keine Frau hat sich das wirklich ausgesucht. Aber man sprach eben nicht drüber und es gab niemanden, der einem eine Hilfestellung gab. Wir kamen ja auch alle so dumm in die Ehe, wie man nur kommen konnte. Keine von uns war irgendwie aufgeklärt worden. Das war auch ein Thema, über das man mit niemandem sprach, nicht einmal mit der besten Freundin und schon gar nicht mit dem eigenen Mann, so waren wir eben erzogen.

Aus dem Internet: Die Story mit dem Klapperstorch ist out!

„Papa, wie bin ich auf die Welt gekommen?“
„Na gut, mein Sohn … irgendwann müssen wir dieses Gespräch wohl führen:
Der Papa hat die Mama in einem „chatroom“ kennen gelernt.
Später haben der Papa und die Mama sich in einem „cyber cafe“ getroffen.
Auf der Toilette hat die Mama ein paar „downloads“ von Papas „memory stick“ machen wollen.
Als der Papa dann fertig für das „uploaden“ war, merkten wir plötzlich, dass wir keine „firewall“ installiert hatten.
Leider war es schon zu spät, um „cancel“ oder „escape“ zu drücken und die Meldung „Wollen Sie wirklich uploaden?“ hatten wir in den „Optionen“
unter „Einstellungen“ schon am Anfang gelöscht.
Mamas Virenscanner war schon länger nicht „upgedated“ worden und kannte sich mit Papas „blaster-worm“ nicht so recht aus. …
Wir drückten die „Enter“ -Taste und Mama bekam die Meldung „Geschätzte Download-Zeit 9 Monate“.

Kinder heute!

Verliebte haben verschmierte Münder und Sternchen in den Augen, sie haben Flugzeuge und Ameisen im Bauch.
Liebe auf den ersten Blick ist meistens kurz.
Verliebte müssen schon schrecklich verliebt sein, sonst wird das nichts mit Kindern.
Küssen ist nebeneinander, Knutschen aufeinander.
Sex muss sein und ist eigentlich nicht so schlimm.
Zwillinge? Das ist wie bei den Kastanien, manchmal sind zwei drin.

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