Laudatio zum 4. Deutschen Biographiepreis 2011 im Rahmen der Eröffnung der 4. Nordwalder Biografietage 2011 am Freitag, den 23. September 2011, 14 Uhr im Rathaussaal von Nordwalde. Von Andreas Mäckler und Stefan Schwidder (zu Louis van Gaal).

 

Verehrte Damen und Herren,

wir freuen uns, auch dieses Jahr den Deutschen Biographiepreis 2011 hier zur Eröffnung der 4. Nordwalder Biografietage verleihen zu dürfen, ebenfalls zum vierten Mal. Er wurde 2008 zum ersten Mal in München vergeben.

Es ist also noch ein junger Preis des Biographiezentrums – der Vereinigung deutschsprachiger Biographen; ein Kollegenpreis für Biographien, die Maßstäbe setzen und uns zeigen, wie Lebensgeschichten aufgeschrieben und produziert sein können – gerade solche, die wir im Auftrag erstellen. Die Menschen, deren Autobiographie wir als „gute Geister“ – als „Ghostwriter“ – aufzeichnen, müssen nicht berühmt sein, aber ihre Lebensgeschichten sollten mit aller Sorgfalt geschrieben und gestaltet werden, denn jede Lebensgeschichte ist einmalig und wert, erhalten zu bleiben. Das ist das Credo des Biographiezentrums.

Seit seiner erstmaligen Verleihung im Jahr 2008 haben wir den Deutschen Biographiepreis in zwei Kategorien unterteilt: die Verlags-Editionen biographischer Werke, die für den Buchmarkt geschrieben und produziert werden, und die Privat-Editionen, die für den Freundes- und Familienkreis bestimmt sind und vor allem zukünftigen Generationen als Familiengedächtnis mit auf den Weg gegeben werden. Stellen Sie sich vor, in einhundert oder zweihundert Jahren lesen die Kindeskinder Ihrer Kinder Ihre Memoiren! Damit das möglich wird, schreiben und edieren wir vom Biographiezentrum Bücher, die formal und inhaltlich Generationen überdauern und als Familienschatz weitergegeben werden können.

Den Deutschen Biographiepreis 2011 im Bereich Verlagspublikationen verleihen wir in diesem Jahr an den Fußballtrainer Louis van Gaal. Nicht nur passen seine zweibändigen Lebenserinnerungen „Biographie & Vision“ wunderbar zum Thema der diesjährigen Biografietage hier in Nordwalde, „Neunzig Minuten Hass“ – Fußball, ein biografisches Gesellschaftsspiel, sie ragen zudem nicht nur optisch deutlich aus allen biographischen Büchern heraus, die 2010 publiziert worden sind.

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Aloysius Paulus Maria „Louis“ van Gaal ist eine wahrhaft außergewöhnliche Gestalt in der Welt des Fußballs. Gerade 60 Jahre alt geworden, polarisiert kaum ein anderer Trainer so wie er – und kaum ein anderer hat so viel Erfolg. Sich selbst hat er als „arrogant und dominant“ und als „Feierbiest“ bezeichnet, aber auch als „warmherzig und familiär“.

Diese Selbsteinschätzung passt auch zu Louis van Gaals Buchedition. Kleiner ging nicht! Aber sie zeigt eben auch den berührbaren, verletzlichen und sensiblen van Gaal – etwa, wenn er über den frühen Krebstod seiner ersten Frau spricht.

Van Gaal musste als jüngstes von neun Geschwistern früh lernen, sich durchsetzen. Bis heute ist dies sein Markenzeichen – ob es anderen gefällt oder nicht. Der Erfolg auf vielen Ebenen gibt ihm Recht: Sei es, dass er den niederländischen Ehrentitel „Ritter von Oranien-Nassau“ für seine Verdienste um den niederländischen Fußball von der Königin verliehen bekommen hat, sei es nun  seine drei Kilogramm schwere und 448 Seiten umfassende Biographie in zwei Hochglanz-Bänden.

Auch Lois van Gaal selbst – „natürlich“, möchte man fast sagen, im Zeichen des Löwen, des Königs der Tiere, geboren – ist ein Mann der Superlative:

* Als nur einer von sechs Trainern weltweit überhaupt gelang ihm das Kunststück, das europäische Champions-League-Finale mit zwei oder mehr Vereinen zu erreichen. Er allein hält dabei den Rekord für die größte Zeitspanne, die zwischen dem ersten und dem nächsten Erreichen des Finales als Trainer liegt: 15 Jahre.

* Er wurde 2010 als erster ausländischer Trainer in der Fußball-Bundesliga zum „Trainer des Jahres“ gewählt, und er ist der einzige niederländische Trainer, der mit einer deutschen Mannschaft, dem FC Bayern München, die deutsche Fußball-Meisterschaft gewann.

* Und, wie vielleicht nur wenige wissen, ihm wurde 2009 zwischen unzähligen Prominenten aus Wirtschaft, Kultur und Politik der dritte Platz des „Sprachwahrers des Jahres 2009“ verliehen. Grund dafür war, dass er noch vor seinem Antritt als Trainer täglich bis zu neun Stunden Deutsch lernte und diese Sprache dann später beim FC Bayern München als Verständigungsform unter seinen Spielern einführte – bis dahin war es Englisch gewesen. Wer in einem fremden Land sei, so van Gaal, müsse sich der Kultur anpassen. „Und dazu gehört die Sprache.“

Sogar die im Leben eines jeden bayrischen Fußballers wichtigsten Wörter kannte er sehr schnell: Gleich bei seiner ersten Pressekonferenz gab er das bekannte Bayern-Credo „Mir san mir“ zum Besten. Als er bei einem anderen Interview in München gefragt wurde, ob er es lieber in Englisch oder Spanisch führen wolle – beide Sprachen beherrscht er exzellent –, antwortete er auf seine ganz eigene Weise: „In welchem Land befinden wir uns gerade, was denken Sie?“

Das brachte ihm respektable 16,3 Prozent der Stimmen bei dieser Wahl ein – noch vor Außenminister Guido Westerwelle und Tokio Hotel. Somit hat Louis van Gaal einen großen Anteil an der Versöhnung zwischen der niederländischen und der deutschen Fußballgemeinde – unserem Hauptthema dieser Biographietage in Nordwalde.

Wer sich mit biographischer Publizistik der letzten Jahre und Jahrzehnte beschäftigt, wird van Gaals Autobiographie also auch im größeren Zeitrahmen einen außergewöhnlichen Stellenwert zugestehen. Beide Bücher gehen über schlichte Sportler-Memoiren und -Weisheiten weit hinaus. Manch einer hat Louis van Gaal in seiner Zeit als Cheftrainer von Bayern München mit König Ludwig dem II. verglichen, den viele für größenwahnsinnig hielten. Doch heute sind seine Schlösser weltweit berühmte Touristenmagnete.

So sind wir sicher, dass auch Louis van Gaals zweibändiges autobiographisches Werk „Biografie & Vision“ einen festen Platz im Pantheon der modernen Biographik erhalten wird. Deshalb zeichnen wir dieses Werk mit dem Deutschen Biographiepreis 2011 aus.

Mit ihm zeichnen wir gleichzeitig als Co-Autor den niederländischen Journalisten und Sachbuchautor Robert Heukels aus. Ein Fußballtrainer muss nicht gut schreiben können, um seine Lebenserinnerungen zu Papier zu bringen, doch er sollte die Klugheit besitzen, einen guten Co-Autor zu engagieren. Und auch darin ist van Gaal vorbildlich. Die literarische Qualität seines Werks ist unabdingbar mit der ausgezeichneten Arbeit von Robert Heukels verbunden, in der wir Autoren des Biographiezentrums uns gerne wiederfinden, wenn wir als Ghostwriter und Co-Autoren Biographien anderer Menschen schreiben.    

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Im Bereich der Privatbiographien zeichnen wir dieses Jahr die norddeutsche Biographin Elke Meyer für ihr Buch Duft von frischem Brot – ein ganz persönliches Sittengemälde von Edith Ullmann aus. „Als Spross einer Fabrikantenfamilie aus Essen-Stoppenberg schildert Edith Ullmann in kraftvoller, bilderreicher Sprache ihre behütete Kindheit und wechselvolle Jugend in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Kleine und große Szenen formieren sich dabei zu einem farbigen Mosaik, innerhalb dessen die dramatischen und schließlich tragischen Entwicklungen unaufhaltsam voranschreiten. Und erleichtert atmen wir schließlich mit ihr auf, als es am Horizont ‚endlich hell’ wird.“

Dieses Buch zeichnen wir aus, weil bereits die Gestaltung eine optische Freude ist und der Text dem in keiner Weise hinten ansteht. Überzeugen Sie sich selbst davon bei der nun folgenden Lesung von Elke Meyer aus ihrem preisgekrönten Buch Edith Ullmann – Duft von frischem Brot.

Die Dankesrede von Elke Meyer finden Sie hier.

Den Artikel der Westfälischen Nachrichten zur Laudatio finden Sie hier.

Den Artikel des Schlei-Boten (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag) vom 17.10.2011 zu Elke Mayer finden Sie hier.