Revlon
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Für mich brach eine Welt zusammen. Noch nie im Leben war ich gekündigt worden. Den Firmenwagen von Schwarzkopf durfte ich noch zwei Monate behalten, aber das war es dann. Mehr als niedergeschlagen meldete ich mich arbeitslos. Meine Bewerbungen bei verschiedenen Firmen wurden wegen meines reifen Alters von fast vierundfünfig Jahren abgelehnt. Da saß ich nun in einer Stadt, die mir sowieso klimatisch noch nie besonders gefallen hatte.

Egal, was und wie, ich wollte einfach nur noch weg aus dieser Stadt, möglichst zurück nach Durban. Georg Rausch, der mich in dieser Situation antraf, rief bei seiner Revlon-Zentrale in Johannesburg an und fragte, ob gegebenenfalls ein Job in Durban für mich frei sei. Wenn ich in Durban sei, sollte ich mich bei Revlon, Herrn Paidussi, melden. Fast mittellos kündigte ich meine Wohnung in Kapstadt, packte meine Siebensachen und fuhr mit dem Billigzug drei Tage und zwei Nächte zurück nach Durban. Ich mietete ein möbliertes Billigappartement und nahm Kontakt mit Herrn Paidussi auf. Er lud mich zu einem Interview nach Johannesburg ein. Da ich nicht genügend Geld für ein Flugticket hatte, redete ich mich damit heraus, dass ich verschiedene Bewerbungsgespräche in Durban hätte und deshalb nicht weg könne. Daraufhin kam Herr Paidussi nach Durban. Wir trafen uns in einer Hotellobby. Von Anfang an stimmte die Chemie zwischen uns. Meine Qualifikationen reichten ihm völlig aus. Einziges Hemmnis war auch in diesem Fall mein Alter. Aber Herr Paidussi löste dieses Problem, indem er mir aufgab, mich in meinem Personalfragebogen zehn Jahre jünger zu machen und als Geburtsjahr 1938 einzutragen. Damit hatte ich nicht nur kein Problem, das gefiel mir. Mit Georg Rausch haben wir später oft darüber gelacht, dass ich nun jünger war als er. Ich erhielt einen Vertrag mit einer sechsmonatigen Probezeit und erhielt zunächst einen Gebrauchtwagen der Demar-Agency. Das war die Agentur, die eigene Produkte herstellte und auch alle Revlon-Produkte anbot. Auf meiner Visitenkarte stand nun „Technical Adviser“. Der Schwiegersohn des Firmenbesitzers, De Marigny, stellte mich den Salonbesitzern in Durban und Umgebung als ihrem künftigen Gesprächspartner vor. Interssant vor allem für die Besitzer „schwarzer“ Salons, die zu jener Zeit noch kaum Kenntnisse mit der Behandlung von Afro-Haar hatten. Meine beruflichen Erfahrungen als Friseur und meine Tätigkeit für Schwarzkopf waren da natürlich sehr hilfreich. So bestand ich die Probezeit leicht. Ich wurde für vier Wochen zur Revlon-Akademie in Johannesburg geschickt, um fit für das Glätten von Afro-Haar und dessen anschließende Umwandlung in großzügige Locken zu werden. Da die Produkte sehr viel Chemie enthielten, mußte man sie sehr präzise und minutengenau anwenden, um Schäden an der Kopfhaut, an den Haaren und selbst an den eigenen Fingern zu vermeiden. Die leichteste Übung war es, Schäden an den eigenen Fingern zu vermeiden, denn das Tragen von Gummihandschuhen war Pflicht, was den Arbeitsablauf auch nicht gerade leichter machte. Meinen Gebrauchtwagen gab ich zurück und Revlon lieferte mir einen Neuwagen nach Durban. Eine Stadt, die für die nächsten fünfzehn Jahre mein Lebensmittelpunkt wurde.

In der Revlon-Akademie für „Toiletries und Cosmetics“ in Durban richete mir Revlon einen großen Raum mit sechs Waschbecken als Salon ein. Dort gab ich den verschiedensten Salonbesitzern und deren Angestellten Unterricht an ihren, von ihnen mitgebrachten, eigenen Modellen über Revlon-Haarprodukte. Ziel war es, ihnen den richtigen Umgang mit diesen Produkten und gute Resultate zu erzielen. Nach drei Tagen erhielten sie nach erfolgreichem Abschluß ein Zertifikat von mir, das sie berechtigte, künftig Revlon-Produkte zu verwenden. Hilfreich für uns war in dieser Zeit, dass es um einiges billigere Konkurrenzprodukte gab, die in etlichen Fällen Schäden anrichteten. „Unser Preis ist Ausdruck für die Qualität unserer Produkte!“ Mit diesem Satz brachte ich die meisten Abweichler wieder zurück zu Revlon-Produkten. Nach fünf oder sechs Jahren betreute ich mehr als dreihundert Salons in Zulu-Land, Natal und der Transkei. Ich dekorierte deren zum Teil altmodische Schaufenster mit Postern und Revlon-Produktattrappen. Meine Fotos dieser Fenster sandte ich als Dokumente an die Zentrale und erhielt dafür jeweils zum Jahresende einen Bonus. Später erhielt ich in der Friseurzeitschrift eine eigene Kolumne, „Horst says“, in der ich besonders erfolgreiche Salons vorstellte. Diese Kolumne war gefragt, weil viele Salons danach drängten, dort zu erscheinen. Auf den Jahrekonferenzen der Firma in den edelsten Hotels von Kapstadt, Johannesburg, Suncity, auf Mauritius und auf den Seychellen lernte ich das amerikanische Top-Management kennen. In Summe wurden dies die glücklichsten Jahre meines Berufslebens.

Inzwischen war auch Helmut nach Beendigung seines zweijährigen Vertrages wieder aus Australien zurückgekehrt. Mit ihm hatte ich die gesamte Zeit per Tonkassette Kontakt gehalten. So kannte ich Sidney und Perth so gut, dass meine Kunden annahmen, ich selbst sei in Australien gewesen. Umgekehrt wußte so auch Helmut alles über die neuesten Errungenschaften und Entwicklungen in und um Durban. Das hatte ihn letztlich beeinflußt, hatten wir doch in unserer Johannesburger Zeit immer davon geträumt, einmal in Durban, am Indischen Ozean zu leben. Und so hatte er mich gebeten, ihm eine Stellung und eine Wohnung in Durban zu besorgen. Beides kein Problem, denn als Friseur hatte er immer noch einen sehr guten Namen aus seiner Johannesburger Zeit, und so war es ein Leichtes, ihm eine Stellung bei Gimelli & Pierre zu vermitteln. Ich holte ihn am Flughafen ab. Er war blass und sah ausgemergelt aus. Das erste Jahr in Sidney hatte er Beruf und Freizeitgestaltung einfach nicht unter einen Hut gebracht. Die tollen Stunden in den Parks, auf die er in seinem jugendlichen Drang nicht hatte verzichten wollen, begannen erst um Mitternacht und endeten irgendwann im Morgengrauen. Entsprechend geschwächt erschien er dann im Salon. So hatte er sich nach einem Jahr entschlossen, in Perth ein ruhigeres Leben zu beginnen. Allerdings erfuhr er dort das andere Extrem. Massenweise Fliegen am Strand, lauter gesprächsfaule „Hinterwäldler“ im und ausserhalb des Salons. So blieb ihm als einzige Möglichkeit, seinem zweiten Hobby zu frönen, nämlich alles verdiente Geld zu sparen. Sparen war immer eine seiner besonderen Leidenschaften. So empfahl er mir bei späteren Casino-Besuchen in der Transkei, mein Geld nicht in die einarmigen Banditen zu stecken, sondern lieber aus dem Fenster zu werfen, denn dann würde ich es wenigstens fliegen sehen.

Voll engagiert mit meinem Beruf, in dem ich Natal und Transkei für Revlon betreute sowie Unterricht in der Revlon-Akademie und in den Berufsschulen in Durban gab, erklärte ich meinen Kunden und Schülern nicht nur Produkte, sondern auch den Weg, Geld zu verdienen und zu investieren. All die Themen um Investment und Geldverdienste interessierten mich persönlich am wenigsten. Ich wollte mein Geld nicht in Geschäfte oder Immobilien, sondern in ein gutes Leben und Reisen investieren. Ganz das Gegenteil von Helmut, der all sein Geld in einen eigenen Salon und Immobilien investierte. Unser gemeinsamer Bekanntenkreis wuchs. Auch mit Deutschen, die gerne ihren Urlaub in Südafrika verbrachten. Es entstanden Freundschaften, die zum Teil bis heute halten. So lernte ich unter anderem in einem der Salons Marianne Hackenberg kennen. Neben ihrem Beruf als Photolaborantin leitete sie die Bar im Deutschen Club in Durban. Eine sehr lebhafte, lustige Dame, von der ich schon am ersten Abend zu einem Glas Wein in ihre Wohnung eingeladen wurde. Jahre später ging sie zurück nach Deutschland, um ihre kranke Mutter in Paderborn zu betreuen. Durch sie lernte ich die „kleine“ Inge und auch Gisela Pannecke kennen, die einen großen Haushalt führte und rauschende Tagesparties gab mit Torten sowie in Südafrika selten zu bekommenden Heringssalaten und jeder Menge Sekt für ihre Freundinnen. Insgesamt eine große Clique aus der Gegend um Oberhausen und Paderborn, die alle Jahre Besuch aus ihrer Heimat erhielt.

Zwischen dem 8. Dezember und dem 8. Januar schloß Revlon immer seine Pforten. In dieser Zeit hatte man Urlaub zu nehmen. Jedoch hatte man als Ausländer auch das Recht, unbezahlten Urlaub für den Besuch seines Heimatlandes zu nehmen. Das tat ich erstmals im Jahr 1991. Mit Freundin Ingrid traf ich mich auf dem Flughafen in Rom. Mit dem Zug ging es nach Neapel und von dort mit der Fähre weiter nach Capri. Ich erinnere mich noch gut, wie mir Ingrid abends im Hotelbett aus der Geschichte Capris vorlas, bis ich einschlief. Nach einer Woche ging es zurück auf den Flughafen in Rom und von dort weiter nach München. Dort bezog ich bei einem dieser Freunde, die ich in Südafrika kennengelernt hatte, Quartier. Er hieß Bernd. Da zunächst er und auch später Marlies kein Geld von mir wollten, beschenkte ich sie mit eigenen Bildern, die ich in Durban gemalt und gerahmt hatte. Bernd hatte einen hohen Posten bei Alitalia. Mit seinem Freund Daniel zusammen, einem Koch, lebte er in einer phantastischen Altbauwohnung in der Hohenzollernstrasse. Da die beiden sehr oft auf Reisen gingen, entwickelte ich mich so langsam immer mehr zum Butler in dieser Wohnung. Ich nahm Bernds Telefonate entgegen, wies Stewardessen oder andere Freunde der beiden für ein oder zwei Nächte in ihr Zimmer ein. Morgens besuchte ich Ingrid oder Marlies holte mich mit ihrem Wagen und ihrem Bruno ab. Bruno war ein hübscher Rauhaardackel, um den sich alles drehte. Geld spielte bei ihr keine Rolle und ich lernte durch sie die schönsten Plätze und tolle Restaurants Münchens kennen. Bei späteren Besuchen in München wurde mir der immer tollere Personenverkehr in Bernds Wohnung langsam zu viel. Immer häufiger blieben Stricher bei Bernd über Nacht und ich hatte die ehrenvolle Aufgabe, sie morgens, wenn Bernd zu seiner Arbeit gegangen war, wieder aus der Wohnung hinaus zu komplimentieren. Somit nahm ich gerne das Angebot von Marlies und deren Mann Martin an, zu ihnen in ihre Dachterassenwohnung in Gern zu wechseln. Sie hatten sehr oft abendliche Gäste auf ihrer Terrasse. Marlies kochte und bediente, Martin hielt große, langatmige Reden. Ingrid arbeitete immer noch in Jose´s Hairstudio in der Hohenzollernstrasse, das sie für den Inhaber, Jose Nutbichler, in ihrer Gutmütigkeit auch leitete. Der Salon lief schlecht und meldete schließlich Insolvenz an. Ingrid als juristisch verantwortliche Geschäftsführerin wurde verurteilt, Steuern für mehrere Jahre nachzuzahlen und ihr Konto wurde gepfändet. Der eigentlich Verantwortliche, Herr Nutbichler, wandt sich heraus und half Ingrid in keiner Weise. Eine sehr ähnliche Erfahrung mit ihm hatte ich in den Siebzigerjahren gemacht, als ich einen Salon in Johannesburg und den Mietvertrag dafür für ein Jahr von ihm übernommen hatte, da er aus geschäftlichen Gründen für diese Zeit nach Deutschland gegangen war. Nach seiner Rückkehr ließ er den Salon wieder auf seinen Namen zurück überschreiben und ich hatte die Ehre, die Steuern für das gesamte Jahr nachzubezahlen. Natürlich hatte ich das Geld dafür nicht und Herr Nutbichler war so nett, es mir mit einem Zinssatz von 25% zu leihen.

Am Ende meines Urlaubs flog ich zurück nach Durban. Revlon war weiter der Mittelpunkt meines Lebens. Im Juli 1992 nahm ich an dem Jahresmeeting der Firma auf Mauritius teil. In traumhafter Erinnerung ist mir vor allem der Rückflug geblieben. Achthundert Kilometer weit flogen wir an der Küste Madagaskars entlang, die ich von meinem Fensterplatz aus bewundern konnte. Im Club Med auf Mauritius trafen sich alle Mitglieder des Revlon-Managements mit ihren Frauen. Dort traf ich auch ein erstes Mal Georgs neue Ehegattin Eva, eine hübsche, sehr reizende und lebhafte Dame. Bei diesem fast zweiwöchigen Meeting, einer Mischung aus strammem Drill und Freizeit lernten wir eine Menge Neues über amerikanische Verkaufsstrategien. Beruflich half uns das allen enorm. Unsere freien Stunden verbrachten wir in der Hauptstadt Port Louis, einer interessanten, kreolischen Stadt mit vielen Parks und schier endlosen Märkten, auf denen ich meine Kauflust austobte. Allerdings traf man dort überall auf Revlonleute. Das nervte und so beschloß ich, die Insel ein nächstes Mal ohne Revlon, zusammen mit Helmut, zu besuchen. Das tat ich dann auch ein Jahr später für volle drei Wochen.

Allerdings hatte ich im Oktober 1992 die Chance, einem Hotelsalon auf der Insel Mahe, einer Insel der Seychellen, zu helfen. Sie hatten bei Revlon angefragt, ob die Firma ihnen mit ihren Produkten helfen könne, und ich hatte den Auftrag bekommen. Ich stellte eine Kiste voller Revlon-Produkte zusammen und flog mit Sperrgepäck auf Kosten von Revlon nach Mahe. Die Besitzerin des Hotelsalons, Rosmarie, eine hübsche, kleine Kreolin, kannte ich schon von meiner Revlon-Akademie in Durban. Dort hatte sie zwei Kurse von mir belegt. Und so wurde der Aufenthalt in ihrem Salon ein voller Erfolg. Mein anschliessender Vorschlag, auf Mahe ein Depot zu eröffnen und es einmal im Jahr zu kontrollieren, wurde zwar nicht abgelehnt, aber von unserem Finanzdirektor übernommen. Auf Grund seiner fehlenden Kenntnisse ging das Ganze dann aber schnell in die Binsen. Den Aufenthalt auf Mahe nutzte ich anschließend zu einem fast einmonatigen Urlaub. Da Rosmaries Freund, ein gebürtiger Südafrikaner, dort auf der Insel La Digue eine Bananenplantage betrieb, hatte er mich gebeten, aus Durban einen Liter eines hochkonzentrierten Insektenvernichtungsmittels mitzubringen, vermutlich DDT. Nach Überwindung der bürokratischen Hürden in der Gesundheitsbehörde in Durban war es mir gelungen, es im Flugzeug mitzunehmen. Zum Dank lud mich Rosmaries Freund für eine Woche zu sich auf seine Bananenplantage auf La Digue ein. Ein wahres, aber sehr einsames Inselparadies, das man auf einem Strandspaziergang in eineinhalb Stunden umrundet hatte. Für die restlichen Wochen hatte ich mir auf Mahe ein Appartement gemietet. Meine Nachbarn dort war ein junges, deutsches Ehepaar, das jeden Morgen auf der Terrasse frühstückte und auf der Insel geheiratet hatte. Sie arbeitete als Stewardess für Lufthansa, er war Journalist für den Springer-Verlag. Da sie durch ihre Schwangerschaft besorgt und etwas hysterisch war, blieb sie lieber an Land, während ich mit ihrem Mann sehr oft zum Schnorcheln ging. Das endete damit, dass sie eines Tages zu ihrem Gatten sagte: „Dann kannst du ja gleich bei Horst einziehen.“ Dennoch wurden wir gute Freunde. Sie luden mich in ihre Heimat Berlin ein – eine Einladung, der ich zwei Jahre später gerne nachkam.

1994 hatte ich die Pensionsgrenze erreicht. Gerne hätte ich noch ein paar Jahre halbtags weiter gearbeitet: auf der einen Seite mit meiner deutschen Rente, die zum damaligen Wechselkurs noch ganz beachtlich war, zum anderen mit der Hälfte meines Gehalts und einem Firmenwagen. Aber zu meiner Enttäuschung entschied das Revlon-Management, entweder ganztags oder gar nicht. Und so wurde ich mit einem Flugticket 1. Klasse zu einer imposanten Abschiedsfeier nach Johannesburg eingeladen. Mein Chef überreichte mir einen Umschlag mit dem von den Kollegen gespendeten Geld und meinte, nun könne ich mir so viele Ohrringe kaufen und tragen, wie ich wolle. Dem Wunsch des Managements, meine Abschiedsrede solle höchstens fünfzehn Minuten dauern, mußte ich leider widersprechen. „Dann bräuchte ich gar nicht erst anzufangen!“

Nach dieser Rede war ich nun frei! Um mir zunächst nicht zu sehr den Kopf über meine neue Situation zu zerbrechen, plante ich als erstes einen längeren Urlaub in Deutschland. Zuerst Berlin, wo ich drei Wochen bei meinen Seychellen-Freunden wohnte, dann eine gute Woche nach Paderborn zu Marianne, die mich in ihrer großen Wohnküche mit Sieglinde-Kartoffeln und eingelegten Heringen mästete.

Zurück in Durban wurde mir erst so richtig klar, dass ich nun ja Rentner war. Zwar besaß ich noch meinen Revlon-Jetta, den ich Revlon abgelöst hatte. Aber Helmut und Georg redeten permanent auf mich ein. Nun sei ich alt und das Sinnvollste für mich wäre doch, in ein Altersheim zu ziehen. So könne ich meine Wohnung auflösen, mein Auto verkaufen, Geld sparen und in ein sehr nah am Strand gelegenes Altersheim einziehen. Ich ließ mich überreden, lag das von einer caritas-ähnlichen Organisation betriebene Heim doch auch sehr günstig, zudem noch gleich neben einem Krankenhaus. Nach einiger Wartezeit wurde dort eine kleine Wohnung frei. Ich ließ sie renovieren, löste meine eigene Wohnung auf und zog dort ein. Meinen Jetta behielt ich Gott sei Dank. Das Ganze entwickelte sich zu einem kompletten Desaster. Ununterbrochen erreichten Krankenwagen mit Sirene die Notaufnahme des Krankenhauses, landeten Hubschrauber mit Unfallopfern genau auf dem Landeplatz vor meinem Fenster. Ausserdem war meine Wohnung klitzeklein. Georg hob meine Stimmung auch nicht gerade, als er bei einem Besuch meinte, ich hätte mir ja eine hübsche Puppenstube eingerichtet, aber wohnen möge er dort nicht. Das Foyer war immer bestens mit alten Mitbewohnerinnen besetzt, die neugierig jeden Kommenden und Gehenden beobachteten und denen auch sonst nichts in diesem Heim entging. Das Ganze wurde zu einem richtigen Albtraum. Nach wenigen Monaten hatte ich endgültig genug. So alt war ich nun wirklich noch nicht. Also kündigte ich wieder und suchte mir eine neue Wohnung in der sechsten Etage eines Hochhauses, das am höchsten Punkt Durbans gelegen war. Von meinem Wohnzimmer aus blickte ich über die Stadt hinunter zum Hafen, auf den Strand und auf den Indischen Ozean. Ausserdem hatte ich wieder eine eigene Garage für meinen Jetta und einen Swimming Pool im Garten des Anwesens. Abends genoß ich das Wetterleuchten auf dem Meer. Plötzlich hatte ich auch wieder Besucher. Freunde, die mit ihren Gästen aus Deutschland, mit Proviant und Getränken zu mir kamen, um ebenfalls den herrlichen Ausblick auf die Stadt und das Meer zu geniessen. Manches Mal ging es schliesslich sogar so weit, dass sie mir ihre aus Deutschland angereisten Eltern zur Betreuung überliessen, um sich wenigstens wieder einen Tag lang von deren Ratschlägen und Anweisungen zu erholen. Sie gaben mir Geld und wir kutschierten in meinem Jetta am Strand entlang, Palmen rechts und links, über die Grenze in Mandelas Heimat Transkei, und das Geld verjubelten wir an den einarmigen Banditen im dortigen Spielcasino. Giselas Mutter verliebte sich ausgerechnet in eines meiner übergrossen Landschaftsgemälde. Sie kaufte es mir ab, unter der Bedingung, es für sie fluggerecht zu verpacken. Den Kaufpreis sollte ich allerdings erst erhalten, wenn ich sie in Oberhausen besuchen würde.