Der Artikel von Volker Ulrich zur Biografie als schwierige Königsdisziplin aus dem Jahr 2007 ist immer noch lesenswert:  

Volker Ulrich schreibt in der Zeit vom 9.4.2007: „Das biografische Genre hat immer noch Konjunktur. Doch was macht eine gute historische Biografie aus?

Seit den späten sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts war das Genre der Biografie unter deutschen Zunfthistorikern in Verruf. Es galt als hoffnungslos antiquierte Form einer personalisierenden Geschichtsbetrachtung, als letzte Bastion des deutschen Historismus. Das Feld beherrschten die Sozial- und Strukturhistoriker; die »historische Sozialwissenschaft« Bielefelder Observanz feierte Triumphe.

Doch seit zweieinhalb Jahrzehnten – angefangen mit Lothar Galls großem Bismarck-Buch von 1980 – hat die Biografie eine erstaunliche Renaissance erlebt. Das viel zitierte Unbehagen ist längst einem neuen Interesse, ja einer wahren Passion gewichen. Die Biografie, bemerkte Ulrich Raulff vor zehn Jahren, »ist zur tragenden Säule des Buchmarkts geworden; sie unterwandert die Literatur und resümiert das Beste, was die Sachbücher zu bieten haben. Es ist, als ob das Publikum von einem maßlosen Hunger nach geschriebenem Leben befallen sei, einer Art literarischem Kannibalismus.« Und dieser Heißhunger hat seitdem nicht nachgelassen. Im Gegenteil: Man muss nur einmal einen Blick in die Verlagsprospekte dieses Frühjahrs werfen, um zu erkennen, welch unverminderter Beliebtheit sich die Gattung erfreut. Bei C. H. Beck erscheint eine Biografie über den Widerstandskämpfer Helmuth James von Moltke (von Günter Brakelmann), bei Propyläen eine über den Freiherrn Adolph Knigge (von Ingo Hermann); bei Hanser stellt Ulrich Sieg einen Wegbereiter des Antisemitismus, Paul de Lagarde, vor; bei S. Fischer erzählen Götz Aly und Michael Sontheimer das Leben des jüdischen Kondomfabrikanten Julius Fromm; und bei Wallstein präsentiert Martin Dehli ein kritisches Porträt des Sozialpsychologen Alexander Mitscherlich – um nur einige wenige Titel zu nennen. Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass Biografien den Markt der historischen Literatur mittlerweile klar dominieren (wobei hier ausdrücklich nicht jene Ramschbücher über lebende Politiker, Schriftsteller oder Schauspieler gemeint sind, deren Informationswert immer geringer und deren Verfallszeit immer kürzer wird).“

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