Die Bücher der Gegner von Scientology lesen sich spannend wie Thriller – egal, ob ihre Inhalte der Wahrheit entsprechen oder nicht, was man von aussen ohnehin kaum beurteilen kann. Von „Terror“ ist die Rede, „die Angst schnürt mir die Kehle zu“, ein „unmenschliches System“ sei Scientology, so die Aussteigerin Jeannette Schweitzer in ihrem neuen Buch „Der Apparat“ (Brunnen Verlag, 2009), das ihre Mitgliedsjahre 1989-1992 behandelt.

Ich persönlich lese solche Bücher mit Skepsis, aus folgendem Grund. Als 1992 unser Buch „Malerei muss sein wie Rockmusik – Gottfried Helnwein im Gespräch mit Andreas Mäckler“ im renommierten Verlag C. H. Beck erschien, kannte ich Scientology nur aus den Medien. Dann wurde Gottfried Helnwein in der Presse als Scientologe geoutet (was ich vorher nicht wusste und was mir auch egal gewesen wäre), und unser Buch wurde sofort nach Erscheinen vom Buchhandel boykottiert, d.h. viele Buchhändler schickten die vorverkauften Bücher an den Verlag zurück.

Nicht nur ich reagierte konsterniert, auch der Verlag war betroffen. Da wurde das Interview-Buch eines herausragenden Künstlers diskreditiert – nicht etwa, weil es schlecht geschrieben oder langweilig, nichtssagend gewesen wäre, sondern… Die Gründe sind mir bis heute nicht endgültig klar. Helnweins Zugehörigkeit zu Scientology allein, die im Jahr 2000 von Peter Reichelt dokumentiert wurde, kann es nicht sein.

Merkwürdige Gefühle hatte ich schon, als ich damals mit Helnweins ehemaligem Ausstellungsmacher Peter Reichelt telefonierte, um Hintergründe zu seinem Abrechnungs- und Enthüllungsbuch über den Künstlerstar zu erfahren, und er mir erklärte, auch über mich recherchiert zu haben, ob ich ausserhalb meiner Helnwein-Zusammenarbeit weitere Kontakte zu Scientology pflege  – was ich nicht tat und auch nicht tue, weil mich andere Themen interessieren. Gleichwohl begann ich, Bücher von Scientology-Kritikern zu lesen, da sie verdeckte Aspekte öffnen und in vieler Weise erhellend sind – schließlich bildet das Phänomen einen lukrativen Markt ab.

Zuallererst fiel mir die platte Instrumentalisierung des Themas auf: Wer jemand schädigen will, diffamiert ihn einfach als Scientologen! Selbst die Warsteiner Brauerei musste sich des Rufmords erwehren, wie damals durch die Medien ging. Auffällig ist, mit welchem Engagement Vertreter kirchlicher Verlage und Institutionen gegen das kapitalistische System der Scientologen angehen, als müssten sie ihr eigenes, großkapitalistische Revier verteidigen. Auch in dem Buch von Jeannette Schweitzer wird das „totalitäre System“ der Scientology gegen den „christlichen Glauben“ ins Feld geführt – als sei das Eine besser als das Andere.

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich diskreditiere niemanden, der christlichen Glaubens ist. Gleichwohl hat auch das Christentum eine Kriminalgeschichte, eine düstere und brutale Vergangenheit und Gegenwart, wie sie u.a. von Karlheinz Deschner aufgezeichnet wird. Nur wer diese Interessenskämpfe in einem kapitalistischen Markt sieht, kann verstehen, warum auch mein harmlos anmutendes Kunstbuch mit Gottfried Helnwein damals in einer Weise abgestraft worden ist, die in keinerlei Verhältnismäßigkeit steht.

Diese Überspanntheit der Proportionen scheint überhaupt ein Charakteristikum der Szene von Kirche und Sekten-Bekämpfung zu sein. Jeannette Schweitzer zahlte peu à peu 100.000 Mark und mehr für Kommunikations- und andere Persönlichkeitskurse an Scientology, deren Wert sie später in Frage stellt. Doch was ist daran verwerflich? Sie hatte das Geld zur Verfügung und hat es an Scientology ausgegeben. Sie hätte es auch anderweitig verwenden können – nach Belieben. Was glauben Sie, wie viele Milliarden jährlich an der Börse verzockt werden, ohne dass das System diskreditiert wird? Oder wie viele Milliarden in die Kassen der Kirche als Steuern und (Zwangs-)Spenden fließen, ohne dass dafür erkennbare Leistungen gezeigt werden, die über das Wohlergehen der eigenen Mitarbeiter hinausgehen.

Die eigene Schwäche zu Stärke machen, ist ein biographisches Entwicklungsthema, das jeden Menschen betrifft. So erklärt sich auch diese lesenswerte Aussteigerbiographie von Jeannette Schweitzer. Die Autorin hat sich in Scientology getäuscht und will deshalb andere Menschen vor dieser Enttäuschung bewahren. Doch bleibt zu fragen, ob der Irrtum, dem ersten System aufgesessen zu sein, nicht einfach im nächsten System weitergegeben wird – man also von einer Abhängigkeit und Schwäche in die nächste taumelt.

Daher mein Rat: Wer etwas aus seinem Leben machen will, finde sich selbst! Dann brauchen Sie auch keine Manipulatoren, die Ihnen sagen, wie Sie zu leben und was Sie zu denken und zu zahlen haben.

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PS. Wenn Sie eine „Aussteiger-Biographie“ schreiben, rufen Sie mich an! Ich interessiere mich für ungewöhnliche Lebensläufe.