Was würden Sie tun mit einer tödlichen Diagnose? Susan Spencer-Wendel ist unheilbar an ALS (amyotrophe Lateralsklerose) erkrankt. Sie wird bald sterben. Als lebendige Erinnerung dürfen sich ihr Mann und ihre drei Kinder eine Reise mit ihr wünschen.

Aus der Verlagsinformation:
„Ich bin zu beschäftigt mit dem Leben, um mir über das Sterben Gedanken zu machen“, sagt Susan Spencer-Wendel. Die Krankheit ALS  führt durch Schädigung der Nervenzellen innerhalb weniger Jahre zu Lähmungserscheinungen der Gliedmaßen, dann der Schluck- und Atemmuskulatur, schließlich zum Tod.

Als Susan Spencer-Wendel, Gerichtsreporterin und Mutter dreier Kinder, mit 44 Jahren von ihrer Erkrankung erfährt, beschließt sie, zu reisen und darüber ein Buch zu schreiben – ein Wettlauf mit der Zeit. Sie fährt mit einer Freundin nach Kanada, um die berühmten Nordlichter zu sehen, und mit ihrem Mann nach Budapest, wo sie die ersten Jahre ihrer Ehe verbrachten. Mit ihrer 14-jährigen Tochter besucht sie in New York den berühmten Brautausstatter Kleinfeld – denn wenn Marina einmal heiratet, wird Susan nicht mehr dabei sein.

Diese Geschichte mag tieftraurig sein, doch es ist nicht Susan Spencer-Wendels Absicht, uns das Herz zu brechen. Sie erinnert uns vielmehr daran, was angesichts unserer Sterblichkeit wirklich zählt: das Leben an jedem einzelnen Tag zu lieben.

Über die Autoren:
Susan Spencer-Wendel ist in West Palm Beach, Florida, geboren, wo sie mit ihrem Mann John, ihren drei Kindern Marina, 14, Aubrey, 10, und Wesley, 8, sowie ihrem Hund Gracie lebt. Seit 2000 arbeitete sie als Gerichtsreporterin für die Palm Beach Post. Nach ihrer ALS-Diagnose kündigte sie ihren Job, um sich den Reisen mit ihrer Familie und ihrem Buch zu widmen. Bret Witter arbeitet als Lektor und Sachbuchautor. Er wuchs in Nord Alabama auf und lebt zurzeit mit seiner Frau, seinen beiden Kindern und der 14 Jahre alten Katze Kiki in Louisville, Kentucky.

Lesen Sie hier ein Interview von Cokie Roberts mit Susan Spencer-Wendel:

Sie sind Journalistin. Hat es Ihnen geholfen, mit ALS besser zurechtzukommen, weil Sie darüber geschrieben haben? Welchen Einfluss hat das Schreiben auf Sie?

Susan Spencer-Wendel: Als Journalist muss ich die Wahrheit erzählen; auch wenn sie unangenehm ist. Ich kann mir nichts vormachen. Das hat mir sehr geholfen, die Wirklichkeit von ALS zu begreifen. Als Tageszeitungsjournalistin habe ich Tausende von Geschichten geschrieben, die mich darauf vorbereitet haben. Erstens habe ich dadurch alle Arten von Tragödien in meiner Karriere gesehen und musste feststellen, dass schreckliche Dinge sehr oft auch guten Menschen passieren. Und zweitens weiß ich, wie man Ereignisse zu Geschichten macht. Schreiben ist wundervoll, weil es einen zwingt, konfuse Gedanken in klare Worte zu fassen.

Als Sie mit dem Schreiben Ihres Buchs begonnen haben, mussten Sie einige körperliche Herausforderungen meistern. Wie war es, als Sie das Buch beendet haben?

Susan Spencer-Wendel: Bei ALS fallen zuerst die kleinsten Muskeln aus, wie die der Finger. Ich war nicht mehr in der Lage, auf einer Tastatur zu schreiben. Meine Finger hatten nicht mehr die Kraft, die Tasten zu drücken. Besser ging es mit dem Touchscreen vom iPad. Damit habe ich Buchstabe für Buchstabe geschrieben. Als sich meine Finger nur noch über den Screen schleppten, hat ein Verlag mein Buch gekauft. Das war ein enormer Ansporn zu improvisieren. Ich habe bei meinem iPhone immer die Notizfunktion genutzt, um schnell etwas festzuhalten: spontane Gedanken, Einkaufslisten oder auf Reisen. Mich hat es beruhigt, dass mein iPhone immer da war. So konnte ich jederzeit und überall schreiben. Beispielsweise während der Musikstunden meiner Kinder. Ich hielt das iPhone in der linken Hand, ausbalanciert über meine angewinkelten Finger und gebrauchte meinen rechten Daumen, um 89.000 Wörter in vier Monaten zu tippen. Das zeigt, wie stark mein Wunsch war, das Buch zu schreiben. Auf dem iPhone konnte ich auf einmal immer nur sieben Zeilen lesen, was ja schon ein Segen ist. Das führt zu konzentrierten Sätzen – aktive Verben, wenige Adjektive. Damit hatte ich einen Leitfaden, ein Rezept für mein Buch. Ich denke, das ist unverzichtbar, um ein Buch zu schreiben. Bret Witter hat mir damit geholfen. Er sah das ganze Bild, während ich nur auf das kleine Display blickte. Und wenn mich meine Erinnerungen überfluteten, erinnerte er mich daran, wer ich wirklich bin.

Sie blicken beim Schreiben auf ein schönes Leben zurück. Wollen Sie Ihren Lesern zeigen, dass man auch in schlimmen Situationen große Freude empfinden kann?

Susan Spencer-Wendel: Ja, auf jeden Fall. Ich versuche nicht Dr. Phil zu sein. Aber ich hoffe, dass ich andere inspirieren kann, sich zu wünschen, so zu sein. Das würde sie glücklich machen.

Ist diese Botschaft besonders wichtig für Ihre Kinder?

Susan Spencer-Wendel: Absolut. Ich hoffe sie lernen: Meine Mutter hat sich nicht bedauert, also muss ich meine Mutter auch nicht bedauern.

Viele Betroffene mit ihrer Diagnose würden sich entweder in eine Höhle verkriechen oder von Arzt zu Arzt rennen, in der Hoffnung, ein bisschen länger zu leben. Sie haben beides nicht gemacht. Warum?

Susan Spencer-Wendel: Na ja, Höhlen haben keine Fenster, und man kann an so viele Ärztetüren klopfen, wie man will, es wird nichts ändern. Es gibt einfach kein Heilmittel, nur eine Frist. Ich bin Realist. Für mich kommen weder eine neue Behandlung noch ein neues Medikament mehr rechtzeitig. Ich gebe nicht auf, ich akzeptiere meine Situation. Das ist ein Unterschied. Das ist eine Kettenreaktion. Ich bin nicht sicher, was was ausgelöst hat. Wie eine Orchidee, die auf einem Acker liegt oder in meinem Hinterhof verkümmert, und plötzlich zu blühen beginnt. Alles war schon in mir. Die Natur an sich ist ein wichtigster Aspekt für mich. Die Natur ist so perfekt: Photosynthese. Befruchtung. Vorstellung (großes Lächeln). Tausende von Meilen fliegen die Monarchschmetterlinge nach Mexiko, um sich zu versammeln. Das Gewölbe vom Regenwald ermöglicht, dass Ameisen fliegen, ohne herunterzufallen. Das Gesetz der Physik. Diese bewegten Dinge haben Energie. Ich habe nicht den Willen oder Antrieb gegen die Natur, diese wunderbare Natur anzukämpfen. Ein wichtiger Grund ist auch mein Ehemann. Ich möchte, dass er sich noch einmal ein anderes Leben aufbauen kann. Nicht immer mit dem Gewicht einer invaliden Partnerin belastet wird. Ich glaube, dass Wünsche die Wurzel alles Leiden sind. Das zu haben, was man nicht haben kann. Heilung bedeutet, es nicht zu wollen. Ich hoffe nicht auf ein Heilmittel, sondern bereite mich auf den Tod vor. Ich habe den Weg des geringsten Widerstands gewählt. Ich gehe mit Würde in die Nacht.

Viele werden fragen, wie Ihre Kinder das verkraften?

Susan Spencer-Wendel: Es sind meine Kinder. Ich weiß am besten, was für sie gut ist. Ich weiß, sie sind auf alles gut vorbereitet. Ich kenne die Liebe, mit der sie umgeben sind. Ich weiß, je würdevoller ich die Dinge akzeptiere, umso würdevoller können sie es auch. Ich weiß, sie haben meine Stärke. Davon bin ich felsenfest überzeugt.

Es war nicht einfach, ihre therapeutische Reise durchzuführen. Sie mussten ihre ganze körperliche Kraft aufbringen, um zu den weit entfernen Plätzen zu gelangen. Hat es sich gelohnt, dass sie deswegen einige Angsteinflößende Situationen auf sich genommen haben?

Susan Spencer-Wendel: Absolut. Aber ich würde nicht das Wort Angsteinflößende benutzen. Wir waren nicht mit Haien schwimmen. Als ich völlig erschöpft am Fuß der Treppe vom Wreck Beach stand, war ich nicht ängstlich. Eher besorgt. Ich liebe es zu reisen. Deswegen ist es natürlich zu gehen und nicht schwierig, alles zu vollenden. Aber nicht ohne die Hilfe von John, Nancy und Steph. Sie klingen in meinem Buch wie Heilige, weil sie es einfach auch sind.