Immer wieder eine Freude, Publikationen von Mitgliedern des Biographiezentrums ankündigen zu dürfen!

Aus der Verlagsinformation: Der biografische Roman von Mira Bilia beschreibt die wahre Lebensgeschichte des Khalil Samet. In Zarka, Palästina, geboren, übersiedelt er schon als Kind mit seiner Familie nach Süddeutschland. Sein Dasein als Ausländer in Deutschland und sein Bemühen, in zwei unterschiedlichen Kulturen akzeptiert zu sein, ist nicht immer leicht. Durch ein „krummes Ding“ landet er zur Untersuchungshaft in der JVA Stammheim. Während dieser schwierigen ungewissen Situation erinnert er sich an Stationen seines Lebens. 

Weitere Informationen hier: http://www.wortart-texterei.de/buchladen/
 
Leseprobe:
„Der Junge erzählt mir von der neuen Kneipe in der Stadt, ich kenne sie, früher wäre ich auch in solche Lokale gegangen. Wir fahren über Land nach Leonberg, dort hat Fritz eine Halle gemietet. Er ist da, wartet schon auf mich. Der Motor liegt noch fertig verpackt am alten Platz. Ich lenke routiniert den Hubwagen übers Gelände, lade das Paket mit Fritz´ Hilfe auf und steure es zum Auto. Der Junge lehnt am Wagen, raucht derweil eine Zigarette, schmunzelt, wer weiß, an was er denkt, an ein Mädchen? Der Kofferraumdeckel steht auf, schnell will ich das Ding im Auto verstaut sehen und davon fahren, ich bin froh, wenn der Motor endlich untergebracht ist. Seither hat zwar alles geklappt, es war sogar super leicht gewesen, aber der Junge ist dabei, da kann ich kein Risiko eingehen.
»Komm halt dich fest«,
fordere ich den Jungen kurz auf. Er langt geschickt hin und mit einem Ruck hieven wir das unförmige Paket in den Wagen. Er fragt nicht, was ich damit mache, er weiß inzwischen, dass ich auch am Wochenende mit verschiedenen Jobs Geld verdiene. Seit einigen Wochen nehme ich ihn mit, so kann er sich auf Baustellen und bei Umzügen selbst Geld erarbeiten, lernt jede Menge handwerkliche Griffe und Spaß haben wir sowieso dabei.
»Ich bring den Karren zurück«,
nicke ich dem Jungen zu, sehe, wie er sich zum Wagen dreht, und will mich beeilen, auf dass wir fix vom Gelände verschwinden. Zwei Schritte, ein gemütlicher Käfer surrt in der lauen Maienluft – ein Schrei zerreißt sie:
»POLIZEI … STEHEN BLEIBEN … SIE SIND FESTGENOMMEN!«
Die dunkle Gestalt taucht hinter einem Wagen auf, und noch eine, ich drehe mich zu dem Jungen, er starrt mich fragend an, aus dem Gebäude hinter ihm strömen noch mehr Männer in Uniform.
»STEHEN BLEIBEN!«, vibriert die Luft, jetzt fegen sie von allen Seiten daher.
»AUF DEN BODEN! «, hallt es zwischen den Gebäuden. Ich sehe Fritz am Gebäudetor, er hält die Arme in die Luft, schmeißt sich im nächsten Augenblick auf den Boden. Mich krallt etwas von hinten, stößt mich ins Kreuz, noch mal, ich falle, sehe den Jungen nicht mehr, überall Polizei, plötzlich trampelt und knackt es in allen Ecken, sie stürmen wie hungrige Insektenmonster, tausend Pistolenläufe lechzen mich an, noch ein Tritt von hinten, dem halte ich nicht Stand, taumle und falle, ein wuchtiges Etwas rammt sich auf meine rechte Schulter, Asphaltkrümel krallen mein Gesicht.
»BLEIB LIEGEN UND KEINE BEWEGUNG!«
Wie soll ich, ich klebe am Boden, einen Achter auf dem Rücken, wenn er ihn zuzieht, werden die Arme brechen. Grobe Hände tasten mich ab, fingern an meiner Gürteltasche, bis ich sie nicht mehr spüre.
»Der Junge, der Junge, wo ist der Junge?! «,
blinkt es dunkelrot in meinem Kopf. Wie, warum, wie kann das sein? Wer hat mich verraten? Das kann nicht sein, das darf nicht sein! Sirenen beschallen die Szene, im Augenwinkel blinken die skurrilen Bilder blau.
»Wo ist der Junge? Er hat nichts damit zu tun«,
presse ich irgendwie nach oben,
»Lasst ihn laufen, er hat nichts damit zu tun! «
Niemand reagiert darauf. Ich vernehme unverständliches Gemurmel in der Ferne, leises mechanisches Knacken. Oh mein Gott, auf mich blicken scharfe Kanonen – man Leute, ich bin doch harmlos, behalte bloß die Nerven und ballere nicht los! Bleibe erstarrt liegen, warte.
»Steh auf, aber langsam«,
befielt eine strenge Männerstimme, gleichzeitig zieht einer an meinem gefesselten Arm. Aufrecht suche ich den Jungen. – ER SOLL FLIEHEN -, schreit es in mir, er hat doch nichts damit zu tun! Mir stockt das Herz noch mehr, als ich ihn schreien höre, er liegt ein paar Meter weiter, ebenso mit dem Gesicht auf den Boden gepresst.
»Lasst ihn gehen, er hat nichts damit zu tun«,
versuche ich ihn zu verteidigen, aber ich kann mich nicht mal selbst retten.
»Ruhe!«,
tönt der Beamte trocken,
»Wir werden sehen, was wer damit zu tun hat.«
Die Betonung des „damit“ klingt irgendwie hämisch, wir sind ihre Beute, in ihr Netz getappt. Wie kann das gehen? Mir dreht sich alles, der Junge ist gefesselt, wird von Polizisten in einen Streifenwagen geschoben. Bald sitze ich in einem Polizeibus und verstehe, nach ein paar aufklärenden Worten des Beamten, ich sitze in der Falle, so eine Scheiße. Im Moment ist das nicht das wichtigste, der Junge ist dabei, das ist tragisch. Und mein Schatz weiß nichts davon. Tausend Bilder wirbeln in meinem Kopf, von ihr und uns und dem was kommen wird. Auf der Fahrt spricht keiner, die wollen nur dass ich friedlich bleibe, bringen mich aufs Revier. Langsam finde ich ein wenig Ordnung im Kopf. Ich werde es zugeben, das ist das Beste. Bin ja kein Schwerverbrecher, die Sache wird sich regeln lassen, so versuche ich mich zu beruhigen. Aber der Schock sitzt mir in allen Zellen, ich zittere, bin heiß und eisig zugleich. Ich denke an den letzten Ausflug und frage mich: Geht gerade eine Welt unter?“