Spannende Spionage-Biographie mit allen Elementen der groß- und kleinbürgerlichen Welt im früheren Ost-West-Konflikt Deutschlands.

Walter Wangler
Deckname „Schwabe“
Der Spion, der aus dem Schwarzwald kam
Verlag Pahl-Rugenstein, 2010
268 S., 40 Abbildungen, gebunden, 19,90 Euro
ISBN 978-3-89144-425-2

 
   
November 1956. Prorektorat der Leipziger Universität. »Natürlich kannst du hier studieren, Genosse.« Der Mann, der aussieht wie Gert Fröbe, mustert den jungen Mann aus dem Schwarzwald. »Aber wieso studierst du nicht im Westen? Die Partei könnte dich unterstützen.«

Die Saat ist gelegt, die Früchte sollen später geerntet werden. Der Weg des Autors mit dem Decknamen »Schwabe« führt über ein Studium in Freiburg und Wilhelms­haven zur Promotion in Göttingen. Später wird er Professor für Sozialpolitik in Düsseldorf. Die Beziehung zu Ostberlin ist längst abgebrochen. Die Furcht vor Entdeckung schwindet, die Erinnerung verblasst. Bis 1979 der Oberleutnant im Ministerium für Staatssicherheit, Werner Stiller, zwei Koffer packt, alles hineinstopft, was ihm an Geheimmaterial zugänglich ist und die S-Bahn zum Bahnhof Zoo besteigt …

Dies ist kein Rechenschaftsbericht, keine Rechtfertigungsschrift, keine Lebensgeschichte. Es sind Geschichten aus einem Leben, dessen politische Sozialisation eigenen Gesetzen gehorcht. Angesiedelt in einem proletarischen Milieu, das es so nicht mehr gibt. Das aber verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten. Aus banalen und bedeutsamen Ereignissen formt sich ein politischer Bildungsroman der etwas anderen Art: Kindheit unterm Hakenkreuz, die Eltern als Kommunisten im KZ und im Gefängnis. Nach dem Krieg Prägung durch Genossen und Freunde der Eltern, die aus Konzentrationslagern, Zuchthäusern, Strafbataillonen und aus dem Exil zurückkehren. Die Stadt Schwenningen am Rande des Schwarzwalds als Mikrokosmos der Adenauerära. Volkschule und Gymnasium, von 1952 bis 1954 Jahre Hilfsarbeiter in einer Uhrenfabrik, als talentierter Fußballspieler in der württembergischen Amateurauswahl.

Und dann, kurz vor dem Abitur, die Reise nach Leipzig. Und Gert Fröbe im Prorektorat der Universität …

Nichts wird beschönigt. Aber auch nicht verurteilt, nur weil der Zeitgeist es verlangt. Dass im Ringen der Ideologien eine Seite gesiegt hat, macht die unterlegene nicht durchgängig zu einem monströsen Gebilde. Und die Menschen, die daran geglaubt haben, nicht zu Parias.