In meiner täglichen Arbeit häufen sich die Anfragen nach biografischer Schreibbegleitung und Coaching. Krankheitsgeschichten, Problem- und Rechtfertigungsbiografien sind natürlich auch Formen des therapeutischen Schreibens, das vielfältig eingesetzt werden kann, denn das Schreiben zählt zu den ältesten Therapieformen überhaupt. Schon immer haben Menschen versucht, seelische und körperliche Krisen durch das Schreiben als Dialog mit sich und ihrem Unterbewusstsein zu meistern. Ebenso, wie Worte zutiefst verletzen können, können sie heilen. Daher ist das Gespräch auch so wirksam – im Guten wie im Schlechten!

Ich selbst bin zwar ein Doktor (Dr. phil.), aber kein Therapeut, und biete daher keine Therapien an, erlebe jedoch immer wieder, wie heilsam meine Kunden die dialogische Arbeit mit mir an der eigenen Biografie empfinden. Deshalb biete ich auch eine Online-Begleitung an für all diejenigen, die aus verschiedenen Gründen – finanzieller oder psychologischer Art – keinen direkten Kontakt wünschen. Dann schicken sie mir beispielsweise Tagebücher oder andere biographische Schriften zur ersten Information. Da das Grundproblem meiner Kunden darin besteht, das eigene Leben als biografisches Material nicht geformt und damit bewältigt zu bekommen, kann ich ihnen oft mit einfachen, aber wirkungsvollen Schreibübungen helfen.

Hier ein Beispiel einer meiner Schreibaufgaben:

Lesen Sie Ihren Tagebucheintrag und entspannen Sie sich.

Datum: „Das Schlimmste: Mein Cassettenrecorder ist kaputt. Der Fernseher ist kaputt. Und meine Eltern sind nur am Streiten, ohne Unterbrechung.“

Schreiben Sie alles in diese Datei hinein, was Ihnen zu Ihrem Tagebucheintrag einfällt, ohne darüber lange nachzudenken oder zu zensieren. Achten Sie nicht auf Rechtschreibung oder Logik. Schreiben Sie einfach alles auf, was ihnen einfällt – so lange, bis Sie nicht mehr können oder wollen.

Wenn Sie das Gefühl haben, es ist genug, mailen Sie mir die Datei mit Ihrem Text zu.

Und hier ein Ergebnis:

„Die erste Aufgabe schon ein Volltreffer und da hinein, wo es weh tut. Musik ist, seit ich ein sehr kleines Mädchen war, das Wichtigste für mich – dank meinem Opa. Im Sommer XXXX wurde sie noch wichtiger, da verliebte ich mich mit knapp 13 Jahren in den Schlagersänger Jürgen Marcus. Ab da saß ich viele Abende vor den Radiohitparaden oder Wunschkonzerten am alten Radio in meinem Zimmer und nahm mit meinem kleinen Cassettenrecorder die Lieder auf. Den Cassettenrecorder schenkten mir meine Eltern XXX zu Weihnachten, einen ITT Schaub Lorenz, und ich kaufte mir bunte Cassetten dazu. Schade, dass ich sie bei einem Umzug in die Tonne steckte.

Während ich Musik hörte, schrieb ich Einträge für die Schule oder malte stundenlang in meinem Fan-Album. Das Album musste ich oft von Grund auf neu gestalten, weil meine Mutter es in ihren „Anfällen“ nicht nur einmal zerfetzte. Ebenso wie sie meinen Kleiderschrankinhalt regelmäßig auf den Boden warf und ich Stunden brauchte, bis alles wieder fein säuberlich im Kasten lag. Nachdem ich aus Wut und Ohnmacht laut geweint hatte, legte ich meine Cassetten von Jürgen Marcus ein, hörte die Lieder und sang sie mit. Das gab mir Trost. Und weil ich den Recorder sehr beanspruchte, fing er irgendwann zu leiern an, zum Schluß so sehr, dass auch keine Reparatur mehr helfen konnte. Als ich meinen Eltern vorher schon sagte: „Er leiert!“ hieß es nur: „Dann schon ihn und spiel nicht so viel Musik!“ Ich sollte mich mäßigen, während sie es nicht taten. Als er ganz kaputt war, fühlte auch ich mich kaputt, denn nur Radio hören, ohne die Lieder aufnehmen zu können, reichte mir nicht. Ich drehe heute übrigens ähnlich durch, wenn meinem Computer etwas „fehlt“.

Der Fernseher war neben dem Alkohol der Mittelpunkt für meine Mutter. Biertrinkend saß sie stundenlang davor, mein Vater war ja selten zuhause. ….“

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Wenn ich von meinen Klienten den jeweils neuesten Text erhalten habe, greife ich einen zentralen Satz aus dem Geschriebenen heraus und verschicke die nächste Schreibaufgabe, bis nach Monaten bzw. Jahren aus den einzelnen Text-Mosaiken ein fertiges Buch entstanden und meine Klienten in der Regel überglücklich sind.