Arte zeigt am Samstag, 11. Juni 2011 um 16.45 Uhr das aussergewöhnliche Filmportrait über Salman Rushdie von Elisa Mantin (Wiederholungen: 17.06.2011 um 11:30, 18.06.2011 um 06:45 Uhr).


Aus der Senderinformation: Am 14. Februar 1989 verurteilte der iranische Staatsführer Ayatollah Khomeini den britischen Schriftsteller Salman Rushdie für seinen vierten Roman, „Die satanischen Verse“, mittels einer Fatwa zum Tode. 20 Jahre danach spricht Salman Rushdie über die Orte seiner Kindheit, die Quellen seiner literarischen Inspiration: Indien, das ihm verbotene Land, das seine Vorstellungswelt und sein Werk nachhaltig beeinflusste, und Mumbai, die Stadt seines Herzens. Er beschreibt die letzten zehn Jahre seines Lebens als freier Mensch.

Der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie wurde am 19. Juni 1947, dem Jahr der indischen Unabhängigkeit, im heutigen Mumbai geboren. Sein Vater, ein reicher Geschäftsmann, schickte den Jungen mit 14 Jahren nach England, wo Salman Rushdie studierte und seinen Lebensmittelpunkt hatte. Der Autor verbindet auf einzigartige Weise okzidentale und orientalische Kultureinflüsse.

Diese Dokumentation ist die Einzige, der Rushdie seine Teilnahme zusagte. Er wirkte beispielsweise in keinem der Filme mit, die von mehreren Fernsehsendern, darunter der BBC, anlässlich des 20. Jahrestages der am 14. Februar 1989 über ihn verhängten Fatwa gedreht wurden.

In der Dokumentation spielt neben Rushdies Lebensweg – es werden insbesondere die Jahre 1998 bis 2008 beleuchtet – sein Herkunftsland Indien eine bedeutende Rolle, denn Indien ist paradoxerweise die weniger bekannte Seite des Autors. In seinem Roman „Mitternachtskinder“ (1981) entdeckte er als ein zutiefst von der europäischen Kultur geprägter Intellektueller sein Heimatland wieder, das ihm von da an als Inspirationsquelle für Motive und Stil dienen sollte.

Rushdies Herkunft aus einer nicht praktizierenden muslimischen indischen Familie hatte maßgeblichen Einfluss auf die Affäre um die „Satanischen Verse“ (1988), die sich wie ein Lauffeuer von Indien nach Pakistan verbreiteten und ein Jahr nach ihrem Erscheinen zu besagter Fatwa durch den damaligen iranischen Staatschef Khomeini führten. In Indien erhielt Rushdie Einreiseverbot und durfte das Land zehn Jahre lang nicht betreten. Doch seine Inspirationsquelle versiegte nicht, sondern ermöglichte ihm in den Jahren des Verstecks und der Verfolgung das geistige Überleben.

Die Dokumentation zeigt eine junge Generation indischer, in englischer Sprache schreibender Schriftsteller, die sehr von Rushdies Stil beeinflusst ist. Seine Romane revolutionieren die Handschrift dieser Nachwuchsschriftsteller, die sich in Rushdies Indien und in seinem Stil wiedererkennen. Rushdie habe immer für zwei Kontinente gleichzeitig geschrieben, den Okzident und den Orient – so der Leitartikler des amerikanischen Magazins „The New Yorker“, Bill Buford.

Altaf Tyrewala („Kein Gott in Sicht“, 2006), ein muslimisch geprägter indischer Schriftsteller – 1977 in im heutigen Mumbai geboren und nach seinem Studium in den USA nach Indien zurückgekehrt -, erinnert sich, dass sich der Saal bei einer Lesung Rushdies nach Erscheinen der „Mitternachtskinder“ plötzlich mit jungen Indern gefüllt habe. Da habe er erkannt, dass Rushdie für ein anderes, Tyrewala damals unbekanntes Publikum schreibe. Er fährt fort: „Für mich waren die ‚Satanischen Verse‘ eine Revolution, sie haben mein Schreiben und meine schriftstellerische Berufung zutiefst geprägt.“

Weitere bekannte, stark von Rushdie beeinflusste Schriftsteller sind Kiran Desai, Rana Dasgupta, Amit Chaudhuri und auch der sehr begabte Nadeem Aslam („Atlas für verschollene Liebende“, 2008, und „Das Haus der fünf Sinne“, 2010).
Rushdie trug maßgeblich dazu bei, dass junge indische Schriftsteller in der Öffentlichkeit bekanntwurden. Rushdie führt den Zuschauer auch nach Italien, wo sein Roman „Die bezaubernde Florentinerin“ (2009) spielt. Auch wenn Indien spätestens seit „Der Boden unter ihren Füßen“ (1999) ein zentrales Thema in seinem Werk darstellt, so spielt der Autor doch in beiden Romanen mit seiner doppelten kulturellen Zugehörigkeit. Heute fühlt er sich als Weltbürger.
Salman Rushdie ist sich nach eigener Aussage der Veränderungen in seiner Schreibweise bewusst. Er habe sich immer zwischen dem „Dort“ und dem „Hier“, zwischen der Sogkraft der Wurzeln und der des Weges zerrissen gefühlt. Jetzt verorte er sich aufseiten derer, die – durch eigene Entscheidung, von Natur aus oder aufgrund der Umstände – ganz einfach ihrer Zugehörigkeit beraubt sind. Diese Nicht-Zugehörigkeit sei nunmehr seine künstlerische Heimat.