Rammstein ist zwar nicht meine Lieblingsband, aber ich schätze sie sehr und habe alle Musik-DVDs der faszinierenden Brachialband in meiner Sammlung. Als ich vor einigen Jahren meiner damaligen Freundin, einer anthroposophischen Psychotherapeutin, Live aus Berlin als Video vorspielte, rannte sie würgend aus dem Zimmer, während Sänger Till Lindemann mit einem umgeschnallten Plastik-Penis den Keyboarder Flake am nackten Arsch bearbeitete („Bück dich“). Diese Szene ist dann wohl auch von den Behörden indiziert worden – jedenfalls gilt die unzensierte Fassung des Konzertfilms (nur auf Video, nicht als DVD erhältlich) als Sammlerstück. Flake mag ich aber schon aus seiner früheren Zeit bei Feeling B,  einer DDR-Band, die in dem Rockreport flüstern & SCHREIEN (als DVD erhältlich) dokumentiert worden ist.

Arte zeigt jetzt am Sonntag, 4. September 2011 um 16.30 Uhr (Wiederholung: 10.09.2011 um 06:45) Mein Leben von  Flake (Deutschland, 2011, 43mn), ZDF. Regie: Annekatrin Hendel

Aus der Senderinformation: Christian Flake Lorenz, geboren in Ostberlin Ende der 60er Jahre, ist Keyboarder von Rammstein. Die Band hat in den vergangenen 20 Jahren über zwölf Millionen Alben verkauft, viele Preise abgeräumt und weltweit vor Millionen von tobenden Fans ihre legendäre Mischung aus Konzert und pyrotechnischer Show abgefackelt. Wie alles angefangen hat für Flake, das erzählt der Film von Annekatrin Hendel mit unveröffentlichtem Filmmaterial, Fotos, Animationen und vielen Gesprächen.

Wie schafft man es aus der bunten Untergrundwelt eines von einer Mauer eingezäunten Staates wie der DDR hinaus in die größten Konzertarenen der Welt? Das Beispiel Flake scheint alles, was je an Erfolgsrezept eines Stars die Runde gemacht hat, zu widerlegen. Man wird, was man ist. Nichts findet Flake unheilvoller als den stumpfen Willen zum Erfolg: „Ich denke, das liegt wirklich daran, dass die Leute Authentizität merken, und sie sehen etwas, das echt ist. Das gibt es nicht oft auf der Welt, dass man noch etwas tut, weil man es auch meint.“ Meistens, findet er, ist es sogar das Beste, gar nichts zu machen. „Und einfach mal die Klappe zu halten.“

Flake spielt Keyboard bei Rammstein, deren Bandmitglieder sich auf der Bühne gerne als „böse Jungs“ inszenieren. Aber Flake ist auch der, der auf der Bühne aus dem dampfenden Stahlkessel des Kannibalen steigt, im Schlauchboot wie Professor Hastig aus der Sesamstraße über ein Meer von Menschenarmen paddelt und während der legendären Bühnenshows sprichwörtlich in Flammen steht – spätere Brandwunden nicht ausgeschlossen. Und er ist es, der mit seinen verspielten Keyboard-Sounds die martialischen Gitarren-Riffs zu brechen vermag. Flake ist der schlaksige Antiheld neben den harten Kerlen, die nach so vielen Jahren so etwas wie seine Kernfamilie sind.

Wie alles begann, davon erzählt diese Dokumentation mit unveröffentlichtem Filmmaterial, Fotos, Animationen und vielen Gesprächen. Der Film zeigt die ersten Konzerte der Ur-Band „Feeling B“ an der Ostsee und in Ostberlin, erzählt von einer DDR, die in den letzten Jahren ihrer Existenz von Flake schlicht ignoriert wurde, vom Start in eine neue Gesellschaft, deren Ellbogenmentalität er zutiefst verachtet, und vom Glück, Freunde und eine Familie zu haben.

Annekatrin Hendel hat Christian Flake Lorenz im Chelsea Hotel in New York und in Berlin interviewt und zeigt Momentaufnahmen seines Lebens zwischen Studio, Einkaufstüten und blitzenden Oldtimern. Herausgekommen ist das Porträt eines freundlichen und sanften Menschen, der es mit Brille der Marke XXL zum Weltstar gebracht hat.