Arte zeigt am 31. März um 15.30 Uhr eine sehenswerte Dokumentation, die ich als Uganda-Fan ansehen werde. In Uganda leben allein zwei Millionen Waisen, die ihre Eltern aufgrund von Aids verloren haben. Im Land entstand eine Initiative, genannt „Memory Books“, durch die HIV-infizierte Eltern angeleitet werden, ihre Familienerinnerungen aufzuschreiben. So entstehen Hefte mit Fotos, einfachen Zeichnungen, Ratschlägen, Gedanken und Wünschen. Sie sind oft das Einzige, was den Kindern bleibt, wenn die Eltern gestorben sind – ihr wertvollster Besitz. Christa Grafs Dokumentarfilm wirft einen berührenden Blick in diese Bücher und begleitet einige Kinder und Eltern beim Schreiben.


Aus der Senderinformation: 1992 wird die Organisation NACWOLA in Uganda gegründet. Sie hilft von Aids betroffenen Familien und verwaisten Kindern, mit der Krankheit und ihren Folgen umzugehen. Und die Organisation hat viel zu tun, denn in Uganda leben allein zwei Millionen Kinder, deren Eltern dem HIV-Virus zum Opfer gefallen sind.

Die ehrenamtlichen Gesundheitshelferinnen von NACWOLA führen Kurse in den Dörfern durch. Neben Fragen zu Gesundheit, Hygiene und Pflege geht es dabei vor allem um die Zukunft der Kinder. In diesem Rahmen ist auch das „Memory Book“-Projekt entstanden. Eltern, vor allem Mütter, schreiben zusammen mit ihren Kindern Erinnerungsbücher. Offen und sensibel wird den Kindern nahe gebracht, dass sie bald allein sein werden. Familiengeschichten, Traditionen, Märchen, Lieder, Fotos und kleine Zeichnungen, Ratschläge, Gedanken, Wünsche – alles findet Platz in den bunten Heften, die bald zum wertvollsten Besitz der Kinder werden.

Der Dokumentarfilm begleitet Christine, eine HIV-infizierte Krankenschwester und NACWOLA-Helferin bei ihrer Arbeit im Krankenhaus und beim Unterricht in den Dörfern.

Christine war 42, als ihr Mann an Aids starb. Für sie brach eine Welt zusammen, als sie erfuhr, dass auch sie infiziert ist. Es dauerte lange, bis sie den Schock, die Angst und die Wut auf ihren Mann verkraftet hatte. Sie nahm ihr Leben wieder in die Hand, schrieb Erinnerungsbücher für ihre drei Kinder und setzt sich mit aller Kraft und Überzeugung für andere Mütter und Kinder ein.

Auch Harriet schreibt ein „Memory Book“. Es ist für die kleine Winnie, da sie nicht weiß, wie viel Zeit ihr noch bleibt. Ihre Tochter Rachel hat sie bereits durch Aids verloren, und auch Tochter Angela ist infiziert. Nur Patrick ist gesund, ihr einziger Sohn. Sie lässt Winnie nicht testen, da sie Angst vor dem Ergebnis hat. Harriet und ihre Kinder leben nicht allein in dem kleinen Haus, das ihr Mann kurz vor seinem Tod gebaut hatte. Sie muss sich den Platz mit der Zweitfrau Elisabeth und deren Kindern George und Juliette teilen. Drei Kinder hat sie in der Nähe des Hauses schon begraben. Ihr Mann leugnete bis zum Schluss, dass er beide Frauen mit dem Virus angesteckt hatte. Auch Elisabeth weiß, wie wichtig es ist, Erinnerungsbücher für George und Juliette zu schreiben, aber sie ist dazu noch nicht in der Lage.

Betty lebt in einem kleinen Dorf weit entfernt von der Hauptstadt Ugandas. Erst nach dem Tod ihres Mannes erfuhr sie von einer Krankheit namens Aids. Nur zwei Kinder sind ihr geblieben, George und Lucy. Betty hat keine Angst vor dem Tod und hofft, ihre verstorbenen Kinder dann wiederzusehen. Da sie weder lesen noch schreiben kann, diktiert sie George das Erinnerungsbuch für Lucy: „Ich hoffe, du verlierst nie den Mut und schaust vorwärts.“

Die Menschen in Christa Grafs Dokumentarfilm haben mit Haltung, großer Würde und Selbsthilfeinitiative einen Weg gefunden, mit der Krankheit Aids umzugehen. Das gibt ihnen Kraft, die sie an ihre Kinder weitergeben. Dank der „Memory-Bücher“ ist in Uganda ein Bewusstsein für die Krankheit entstanden, wie in keinem anderen Land in Afrika.

„Wir wissen alles darüber, wie Afrika stirbt, aber nichts darüber, wie Afrika lebt“, sagte der Schriftsteller Henning Mankell, als er auf dem Literaturfestival in Berlin, sein Buch „Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt“ vorstellte. Im Buch beschreibt er seine Begegnungen mit Aids-Kranken in Uganda, mit den Müttern, die Erinnerungsbücher für ihre Kinder schreiben und mit den Waisenkindern. Dies war Anlass für die Autorin und Regisseurin Christa Graf, mit Unterstützung der Schweizer Hilfsorganisation „co-operaid“ und einem Stipendium des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission eine lange Recherchenreise in das Herz Afrikas zu unternehmen und ihren Dokumentarfilm „Memory Books – Damit du mich nie vergisst …“ zu realisieren.

Christa Graf ist freie Journalistin, Filmautorin und Produzentin. Viele Jahre hatte sie in der Biochemieforschung gearbeitet, ehe sie nach langen und abenteuerlichen Reisen in die ganze Welt zum Schreiben und Filmen kam. Über 50 Filme sind in der Zwischenzeit entstanden, Beiträge, Reportagen und Dokumentarfilme, vor allem für ARTE und 3sat. „Memory Books – Damit du mich nie vergisst …“ ist ihr erster Langfilm.

Der Dokumentarfilm wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Er erhielt den Grand Prix des Jeunes Européens (Jury junger Europäer aus 17 Ländern) beim 21. Festival International de Programmes Audiovisuels , den Ehrenpreis des Berliner Filmballs anlässlich der Berlinale 2008, den großen internationalen Dokumentarfilmpreis/URTI in Monte Carlo und den Prix Micheline Vaillancourt in Montréal. Außerdem bekam er das Zertifikat „besonders wertvoll“ der Filmbewertungsstelle Wiesbaden.