Wer Wikipedia-Autoren bei der Arbeit zuschauen will, studiert am besten die Diskussionsseiten zu den entsprechenden Artikeln. So verfolge ich manchmal mit Interesse, bisweilen auch mit Entsetzen, die Werkstattkorrespondenzen, u.a. zu dem Artikel, meine Person betreffend, an dem rund 60 Autoren mitgearbeitet haben.

Nachdem meine professionelle Vita zwischenzeitlich zwei Löschdiskussionen
überstanden hat, stellte jetzt einer der Autoren – Wistula – in der aktuellen Artikeldiskussion die Frage, was der Satz – „zahlreiche Veröffentlichungen“ von Kurzkrimis in der Regenbogenpresse – bedeute und welche Quelle dieser Aussage zugrunde liegt. Eine gute Frage, die ich mir kürzlich im Zusammenhang mit meinem Umzug zurück nach Bayern auch stellte: Welchen Wert hat die große und schwere Umzugskiste voller Beleghefte a la „Frau mit Herz“, „TV Hören + Sehen“, „Neue Revue“, „Tina“ usw. aus den Jahren 1993 bis ungefähr 1998, in denen meine Kurzkrimis der Jahre 1992-1997 vielfach abgedruckt worden sind? Sollte ich diese Elaborate jetzt nicht selbst als Altpapier entsorgen, bevor meine Kinder es später tun?

Nun, ich habe die Kiste mit all der „Schundliteratur“ noch nicht weggeworfen – vielleicht einfach aus Nostalgie heraus. Mir hat vor zwanzig Jahren das Schreiben und Vermarkten der Kurzkrimis nach der Hochrain-Methode viel Spaß gemacht und ein Einkommen ermöglicht, von dem die meisten Autoren träumen.

Sie kennen die Hochrain-Methode nicht?

Zu den 10 wichtigsten Bücher meines Lebens zähle ich den Autorenratgeber des Schriftstellers Helmut Hochrain: „Die 5000 Mark-Story oder Die Kunst, mit kleinen Geschichten das große Geld zu machen“. Die Quintessenz der Hochrain-Methode ist die Vermarktung einer massentauglichen Story in mehreren Versionen. In der Regel habe ich die Originalversion eines Kurzkrimis (10.000 Zeichen) in 5-6 Versionen runtergekürzt bis auf 3.000 Zeichen und damit alle gängigen Formate der Yellow Press bedient. So verdiente ich pro Story – wenn sie gut lief – durch Mehrfachabdruck 5.000 Mark und mehr.

Rund 20 marktfähige Stories schrieb ich damals und lektorierte sie Stück für Stück in wochenlanger Arbeit sorgsam mit der Münchner Schriftstellerin und Übersetzerin Bettina Blumenberg, ohne deren Feinschliff die Stories sicher nicht so erfolgreich geworden wären. Drei Jahre lang ging ich ein- bis zweimal wöchentlich für 1,5 Stunden zu dieser geistreichen Frau zum Lektorieren und Schreibenlernen, so wie andere zum Klavierunterricht gehen, um musikalisch weiterzukommen. Bettinas Stundensatz lag bei 90 DM und ich bezahlte gern, denn von ihr lernte ich das Handwerk des Schreibens in einer Qualität, die mir wohl niemand anderes hätte so brillant vermitteln können. Die Stunden bei Bettina Blumenberg halfen mir später, mich als Autor auf dem Markt besser durchzusetzen.

„Auf dem Markt durchsetzen“ ist übrigens ein Stichwort, das mich zu meinem geschätzten Krimikollegen Reinhard Jahn (alias H. P. Karr) führt. Bei einem Treffen während einer der Criminalen in dieser Zeit sprach er mich auf die starke Präsenz meiner Stories in den einschlägigen Heftchen an und meine „aggressive Vermarktung“ – diese Bedeutungsvariante des Aggressiven kannte ich bis dahin gar nicht. Sie war durchaus anerkennend gemeint. Viele renommierte Krimiautoren verdienten auch mit Heftchen- und Kurzkrimis Geld – zumindest in den frühen Jahren ihrer Autorenvita.

Wie bei allem im Leben, verlor für mich irgendwann das Heftchenmilieu mit seinen „Ladykrimis“ an motivierendem Reiz, und ich wandte mich wieder anspruchsvolleren Publikationsfeldern zu. Gleichwohl hat es mir damals Spaß gemacht, mit Kurzkrimis für den Massenmarkt Erfolg zu haben. Schauen Sie: Solche Blätter der Regenbogenpresse haben Hunderttausende bzw. Millionen Leser – jede Woche. Und natürlich rümpfen gebildete Schichten über deren Publikationen und Publikum die Nase, vielleicht deshalb, weil die Leser der Regenbogenpresse zumeist keine Adorno- und Immanuel-Kant-Leser sind. Aber glauben Sie mir: Auch diese Menschen sind oftmals freundliche Wesen, meistens Frauen, warmherzige Mütter, an die ich mich gern auch mal geschmiegt hätte (an manche zumindest 🙂 . Was ich damit sagen möchte: Je älter ich in diesem Leben und in dieser Welt geworden bin, desto mehr habe ich zwischen Intellekt und Lebensklugheit zu unterscheiden gelernt. LeserInnen der Regenbogen-Presse müssen keine dummen Menschen sein, bloß weil ihnen Heidegger nichts sagt. Sie leben einfach in einer anderen Sphäre. Im Reich der Akademiker gibt es auch genug verkrachte Existenzen.

Ich habe meine Kurzkrimis damals geschrieben und mit Bettina Blumenberg in einer Qualität lektoriert, dass sie zu Unterhaltungstexten wurden, die „nachhaltig“ geworden sind und zumindest auch nach 20 Jahren noch abgedruckt werden. Das ist schon mal etwas, das nicht alle Autoren schaffen. Und darauf bin ich stolz, selbst wenn manche Wikipedia-Autoren meinen, ich sei  als Autor damals im Niveau gefallen und hätte nach der Jahrtausendwende nicht mehr an die Erfolge der späten Achtziger/Neunziger Jahre anknüpfen können.

Wartet einfach ab, Freunde! Die Rechnung wird zum Schluss gemacht, und rund 30 % Restlebens-Arbeitszeit habe ich noch, wenn alles gut geht 😉 ! Da kann noch einiges passieren.

Hier habe ich ein paar Heftchen fotografiert, in denen einer meiner Kurzkrimis abgedruckt ist (klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern):

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