Ich sehe ihn noch vor mir, den drahtigen Fußballtrainer Rudi Gutendorf (geboren 1926), wie er aus seinem Hotelzimmer im ersten Stock zu uns ins Restaurant zurückkommt und ein abgegriffenes gelbes Postpaket auf den Tisch stellt. „Hier ist einiges über mein Leben drin“, sagte er, „Presseartikel, Fotos, Manuskriptfragmente.“ Wenige Stunden zuvor hatten wir bei den Hofer Filmtagen 1999 der Premiere des Films „Der Ball ist ein Sauhund“ beigewohnt – wir, das waren Rudolph Herzog, der Regisseur des Films, sowie dessen Hauptdarsteller „Riegel-Rudi“; außerdem gehörte Rudolphs Mutter Martje Herzog zur Runde, die Exfrau des Regisseurs Werner Herzog. Wir vereinbarten an dem späten Abend, dass ich Rudi Gutendorfs Autobiografie als Co-Autor schreiben würde. Das Buch erschien drei Jahre später.


Was ich mit dieser Szene sagen möchte?
Sie ist im Ablauf typisch für das Zustandekommen vieler sogenannter Promi-Biografien. Ein Prominenter und ein Autor  lernen sich mehr oder weniger zufällig kennen, verstehen sich gut und vereinbaren die Zusammenarbeit. Oder man bekommt als Journalist von einer Redaktion den Kontakt zu einer berühmten Persönlichkeit vermittelt, häufig für ein Interview, aus dem sich mehr entwickeln kann. Die Focus-Journalistin Doris Köpf hat auf diese Weise ihren späteren Mann Gerhard Schröder kennengelernt. Oder ein Autor ist bei einer Literaturagentur unter Vertrag und erhält einen entsprechenden Auftrag. Als Biograf kann man selbstverständlich auch Stars und Sternchen persönlich beziehungsweise über deren Management kontaktieren und hat bisweilen Erfolg. Eine Karriere, wie sie die Autorin Michaela Moritz erlebte, die ihr Idol Udo Jürgens nach einem Konzert ansprach, mit ihm den autobiografischen Roman „Der Mann mit dem Fagott“  schrieb und seine Lebensgefährtin wurde, dürfte jedoch eher selten sein.

Wer Castingshows im Fernsehen verfolgt, erkennt, dass von den Gewinnern, gleich welchen Alters, oft ziemlich schnell eine Biografie auf den Markt gebracht wird, denn sie gehört zum imagefördernden Marketing¬instrumentarium, das zum Aufbau öffentlicher Personen beiträgt. Wer etwas auf sich hält, schreibt eine Autobiografie beziehungsweise lässt sie schreiben. Für die schreibende Zunft ergibt sich daraus ein reiches Betätigungsfeld.

„Lohnt sich für den Autor das Schreiben von Promi-Bios?“, mag man fragen. Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Für sogenannte A-Promis zu schreiben, dürfte lukrativer sein als meine fast 400-seitige Autobiografie von Rudi Gutendorf „Mit dem Fußball um die Welt“ , wofür wir vom Verlag 10.000 Euro Vorschuss erhielten. Das Geld musste ich hälftig mit Rudi teilen, verdiente bei sehr viel Arbeit also sehr wenig, ungefähr 5.000 Euro. Die durchschnittlich verkaufte Auflage solcher Bücher liegt um die 5.000 bis 10.000 Exemplare  bei eher sinkender Tendenz.

„Ist es denn üblich, dass Prominente auch noch Geld vom Autorenhonorar bekommen?“, mag man weiter fragen. Ja! Eindeutig ja, und das nicht nur bei den meisten Projekten, an denen ich mitgeschrieben habe. Letztlich geht es immer ums Geld, und gerade in der Öffentlichkeit stehende Personen brauchen  und verlangen viel davon. Begonnen hatte ich 1992 mit einem biografischen Interviewprojekt mit der Hamburger Ex-Hure  Domenica, der ich ein Exemplar meines Buchs „Malerei muss sein wie Rockmusik“ – Gottfried Helnwein im Gespräch mit Andreas Mäckler“  schickte. Domenica wollte gern mitmachen – bei einem Vorschuss von 1.000 D-Mark pro Interviewstunde und hälftiger Teilung aller erzielten Erlöse aus dem Buchverkauf. Damit war ich einverstanden. Wir schlossen einen Vertrag und ich sprach beim Verlag Droemer Knaur vor, der bereit war, nach Annahme des Manuskripts einen Vorschuss von 30.000 D-Mark zu zahlen. So kalkulierte ich das Projekt und legte Domenica 8.000 D-Mark für acht Interviewstunden auf den Tisch. Damit konnte ich ein etwa 240-seitiges Manuskript mit spannendem Stoff füllen.

Nun mag mancher denken, Prominente seien besondere Menschen, und das sind sie auch, jedoch längst nicht immer besonders angenehm im persönlichen Umgang. Als Co-Autor beziehungsweise Ghostwriter ist man in deren Augen zuallererst Bittsteller und Dienstleister, und das bekommt man vielfältig zu spüren. So sollte ein Autor gerade bei Prominenten ein gutes Nervenkostüm haben, um allerlei Launen der verwöhnten Herrschaften zu ertragen. Mir wurde es spätestens nach dem Gutendorf-Buch zu anstrengend, weiter für Prominente den unterbezahlten biografischen Dichter abzugeben, und verlegte meinen Schwerpunkt auf das Schreiben und Edieren von Privatbiografien. Das war von Anfang an eine solide und gut bezahlte Dienstleistung. Ich stellte den Stundensatz von 50 Euro oder einen Seitenpreis um die 75 Euro in Rechnung, hinzu kamen Fahrtkosten sowie andere Posten. Die Kunden waren kooperativ und dankbar, schließlich hatten sie mich engagiert, und kam es vereinzelt zu Unstimmigkeiten, was menschlich ist und vielfältige Ursachen haben kann, wurde das Projekt im schlimmsten Fall vorzeitig beendet. Vorauszahlungen und vertragliche Klauseln sicherten mich für solche Fälle ab, die zudem – gottlob – nur selten vorkamen.

Wer vom biografischen Schreiben leben möchte, dem würde ich daher eher das Feld der Privatbiografien empfehlen, denn die Promiszene ist voller Journalisten und Autoren, die die Stars umlagern; da herrschen Hauen und Stechen, je attraktiver ein Idol erscheint, umso mehr wird intrigiert. Gleichwohl haben die Glitzerbranche und ihre Protagonisten ihren Reiz, und auch ich bin nach zwölf Jahren der Promiabstinenz wieder rückfällig geworden. Seit 2014 schreibe ich die Bandbiografie der Spider Murphy Gang, die anlässlich ihres 40-jährigen Jubiläums 2017 erscheinen soll. Die Arbeit zieht sich hin und mein Honorar wird – darüber muss ich mir keine Illusionen machen – wohl abermals bescheiden sein. Wenn ich 7.-10.000 Euro Vorschuss vom Verlag für ein gutes 300-seitiges Manuskript bekomme, darf ich glücklich sein. Und dass die Band am Verkauf mitverdienen will, hat ihr Management bereits angekündigt. Doch ich bin Rockfan und die Spiders sind Kult. Auch wenn wir alt geworden sind, fühle ich mich bei ihren Konzerten und im Umgang mit ihnen wieder jung, zumindest einige Momente lang.

Natürlich könnte man fragen: „Warum gehst du nicht einfach zu deren Konzerten, fühlst dich jung und schreibst anschließend lukrativere Privatbiografien, statt deine Konzentration auf schlecht bezahlte Projekte mit anspruchsvollen Klienten zu fokussieren?“ Darauf gibt es mehrere Antworten; eine könnte das Prinzip Hoffnung vieler Künstler und Autoren sein, einmal – entgegen allen Wahrscheinlichkeiten – den großen Wurf zu landen. Das Schreiben und Edieren von Privatbiografien ist eine ordentliche Dienstleistung, wie das Ausüben anderer Handwerke auch. Doch das Schreiben für den Buchmarkt ist mit der Spannung eines Glücksspiels verbunden, bei dem der Autor manchmal (wenngleich selten) das große Los ziehen und zu Ruhm und Geld kommen kann. Zudem ermöglicht die Zusammenarbeit mit Prominenten häufig ein interessanteres Umfeld, als Privatbiografien es bieten. Wer biografische Projekte selbst akquiriert, kommt jedoch nur selten oder überhaupt nicht an die „Big Player“ und großen Honorare heran, wie sie beispielsweise bei Dieter Bohlen, Helmut Kohl oder Gerhard Schröder geflossen sein sollen. Medienberichten zufolge sind im Jahr 2005 von dem Unternehmer Carsten Maschmeyer zwei Millionen Euro für die Verwertungs¬rechte seiner Memoiren bezahlt worden. Wer als Ghostwriter in einem solchen Umfeld arbeitet, dürfte daher besser honoriert werden als das Gros der Biografen, das mit kleineren Brötchen vorliebnehmen muss. Doch im Vergleich zu anderen literarischen Gattungen, darunter auch die Belletristik, ist die Auftragsbiografik mit ihren vielen Facetten der Biografiearbeit bis hin zu Editionsdienstleistungen relativ einkommensstabil und abwechslungsreich. Darin sind sich Prominenten- und Privatbiografien dann wieder ähnlich: Jede Lebensgeschichte ist einmalig und wert, aufgeschrieben zu werden und dadurch erhalten zu bleiben.