Die Erbohrung einer Heilquelle in Bergzabern
Die Jahre 1926-1929
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In Ingenheim hatten wir eine Zweigstelle eingerichtet, die ich des Öfteren selbst offen hielt. Veranlasst durch ein Gespräch mit Ingenheimer Geschäftsleuten bei einem Abendschoppen, erstrebte ich eine Postomnibusverbindung von Bergzabern-Ingenheim-Landau und zurück, wobei Ökonomierat Walter die Unterschrift hergab. Heller Aufruhr der Bergzaberner Geschäftswelt. Die Bahn erhob Einspruch. Weiter erstrebten wir ein drittes Autopaar nach Schweigen und zurück. Man fürchtete, dass dadurch die Bevölkerung von Bergzabern und Umgebung noch schneller in die Großstädte kämen. Die Autobuslinie Bergzabern-Ingenheim wurde auch wieder eingestellt, weil sie zu dieser Zeit kein Mensch benützte. Und heute? 12 Autopaare laufen auf der Strecke Landau und zurück und ebenso Schweigen und zurück; und die Bergzaberner Kaufleute sind noch nicht verhungert.

Zu dieser Zeit erstrebte man auch einen Straßenbau von Schweigen gegen Rumbach, um den Winzern und Bauern, die gewohnt waren, im Westrich Heu und Stroh zu kaufen, den beschwerlichen Weg über Weißenburg zu ersparen. Das Gesuch um Bewilligung der Herstellungskosten in Höhe von 600.000 RM musste ich auch anfertigen, aber es blieb erfolglos.

Für den Krankenhausneubau und für den Bau einer Landwirtschaftsschule erbaten wir Zuschuss. Das Gesuch für ersteren Bau verfasste ich, für den letzteren Landwirtschaftsdirektor Müller.

Eines Morgens kam Herr Oberregierungsrat Dr. Jung in seiner etwas hastigen Art in mein Zimmer: »Wir haben 100.000 Mark Zuschuss bekommen. Jetzt bauen wir ein Krankenhaus!« Er hatte die Tür offen stehen lassen. Nun kam’s dahinter hervor: »Um Gotteswillen!«

Ich schloss die Tür und nun standen sich Dr. Jung und Ziegler einander gegenüber, die seit 1923 wegen einer ungeschickten Bemerkung Zieglers verfeindet waren. Kurzes Anstarren. »Gut, bauen wir eine Landwirtschaftsschule!« und fort war Dr. Jung. Ziegler war im Krankenhausausschuss, und weil dort im Jahr zuvor die Warmwasserheizung eingebaut und der Operationssaal renoviert worden war, kam ihm ein Neubau ungeheuerlich vor. Wenn ein neues Krankenhaus gebaut worden wäre, sollte die Landwirtschaftsschule in das alte Krankenhaus kommen. Aber davon wusste kaum jemand, weil man Landwirtschaftsdirektor Müller nicht vorzeitig verschnupfen wollte.

Nun galt es, den richtigen Bauplatz für die Landwirtschaftsschule zu finden. Herr Müller plädierte für einen Bau zwischen Erholungsheim und Weißenburger Straße. Dr. Jung wohnte damals im nunmehrigen Café Heist und fand, dass es dort im Winter schrecklich kalt und windig sei. Karch und sein Schwager Hüther hatten gerade zu der Zeit Bauplätze an der Zeppelinstraße gekauft und wussten, dass dort noch mehr Plätze zu haben waren. Karch, von jeher ein Geschäftemacher, schlug vor, dass sie ihre Bauplätze abgeben würden, wenn der Wingert von Kimmle Julius d. Ä. vom Bezirk erworben werden könnte, der noch für eine Landwirtschaftsschule benötigt würde.

Als wir an einem Nachmittag gerade auf dem Baugrundstück Karchs standen und Pläne schmiedeten, kam Kimmle Julius jr. vorbei und meinte: »Das wäre ein Platz für die Landwirtschaftsschule.«

Noch am gleichen Tag kaufte Karch den Wingert des alten Kimmle. Dann erst wurde Herr Oberregierungsrat Dr. Jung verständigt. Karch und Hüther übertrugen ihre Bauplätze dem Bezirk und die Landwirtschaftsschule wurde dort errichtet. Kimmle Julius jr. erzählte später, sein Vater sei wie rasend im Büro auf- und abgerannt, als er hörte, dass sein Wingert für den Bezirk gekauft worden sei, dem er natürlich eine viel höhere Kaufsumme abgefordert hätte.

Im Jahr 1927 gründete ich eine Jugendwandergruppe mit Bezirksamtmann Stölzl als Vorsitzendem und 1. Jugendführer. In den Räumen der Sparkasse erschallten oft abends Wandervogellieder, und es wurde auch musiziert unter Leitung von Herrn Grünauer als Primgeiger. Selbst Herr Völbel als Flötist tat mit. Mein Sohn Herbert und meine Tochter Anneliese wirkten auch mit, ersterer mit der Bratsche, letztere als Klavierspielerin. Das Orchester bestand aus 14 Spielern.

In diesem Jahr zog ich auch von Dorf zu Dorf und hielt Vorträge über die »Aufwertung«, wie man die Abwertung nannte. Ich verfasste Briefe für Menschen, die von Gläubigern betrogen werden sollten, führte sogar Prozesse, und brachte den Vetter des damaligen ehemaligen Landgerichtspräsidenten, der durch Prozesse »den Glauben an die Menschheit verloren hatte«, wie er mir klagte, wieder ins Gleichgewicht dadurch, dass ich seinen Gegner soweit brachte, auf einen Teil seiner Erbschaft zugunsten der Tante (Frau des Klägers) zu verzichten, weil er als Testamentsvollstrecker in den Inflationsjahren unklug gehandelt hatte.

Ich wurde ausgelacht.

Im Jahre 1924 war Schwester Rosa, Oberin des Kinderheims Emilienruh, auf der Suche nach Verbesserung der Wasserverhältnisse des Heims darauf aufmerksam gemacht worden, dass laut dem Roman Nonnensusel von August Becker in der Nähe des unteren Baues ein Brunnen bestanden habe. Sie hoffte, dass ein Wünschelrutengänger diesen ehemaligen Brunnen finden würde, und ließ den ehemaligen Oberstleutnant Heinemann von Bad Homburg kommen. Dieser gab einen Bohrpunkt an und bemerkte bei dieser Gelegenheit auch, dass in Bergzabern eine Therme zu erbohren sei. Das erwähnte er auch gegenüber Herrn Eich, wo er bei dieser Gelegenheit eingekehrt war. Ich erfuhr diese Äußerung von Schwester Rosa.

Herr Dr. Sieben wurde von Herrn Eich informiert. Darauf wendete sich Herr Sieben an Herrn Heinemann, um näher Angaben zu erhalten, und dieser antwortete am 4. Februar 1927, dass er bei der Ermittlung des Bohrpunktes für die Emilienruh auf dem Spaziergang in Bergzabern eine Therme mit Kohlensäure festgestellt habe, die aus dem Gebirge komme.

Er forderte für seine genauen Angaben RM 500 und RM 20 Tagegeld. Herr Dr. Sieben ließ diese Angelegenheiten ruhen.

Damals hieß es auch, Herr von Baginsky gen. Hoffmann auf Berwartstein sei irgendwo Mitinhaber einer Mineralquelle und vermute auch in Bergzabern eine solche. Als in der angesehenen Monatsschrift Der Türmer ein Artikel über den Wünschelrutengänger von Gräve aus Gernrode erschien, der ihm große Fähigkeiten zusprach, brachte ich dieses Heft im September 1927 dem Herrn Bürgermeister Popp und legte ihm nahe, diesen Mann kommen zu lassen. Herr Popp lehnte sofort ab, da für solche Zwecke kein Geld vorhanden sei.

Am 29. November 1927 stellte ich in der Ausschusssitzung des Bade- und Schwimmvereines den Antrag, RM 500-600 aufzuwenden, um zu ermitteln, ob tatsächlich eine Therme zu erbohren sei. Ich wurde ausgelacht. Aber am folgenden Tage kam Herr Lorch, Weingutbesitzer und Händler, zu mir mit der Frage, ob es mir mit meinem Antrag wirklich ernst gewesen sei. Nach Bejahung erbot er sich, RM 500 für den Zweck zur Verfügung zu stellen. Herr Popp wurde von mir verständigt und erklärte sich daraufhin bereit, die weiteren Kosten aus der Stadtkasse bestreiten zu wollen.

Am 2. Dezember 1927 besprach ich die Angelegenheiten mit Herrn Bezirksamtmann Stölzl, den ich als Vorsitzenden des Bade- und Schwimmvereins gewinnen wollte, und hörte dabei, dass man schon mit Herrn Heinemann in Verbindung gestanden habe, wie auch mit Herrn Baginsky.

Herr Stölzl wendete sich sofort wieder an Herrn Heinemann, und am 14. Dezember erschien er. Bei seinem Gang begleitete ihn nur die Herren Stölzl, Popp und Buch. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, mussten Herr Lorch und ich zu Hause bleiben.

Es wurde von Herrn Heinemann versichert, dass eine Therme in der Wiese von Fräulein Stephan zu erbohren sei, die neben dem Schwimmbadgelände lag. Die Mineralquelle sollte aus dem Hörbchen kommen. Herr Heinemann erhielt 558 RM, wovon Herr Lorch die versprochenen RM 500 prompt bezahlte, während Herr Popp sein Versprechen nicht hielt.

Am 11. Januar 1928 vormittags von 11-12 und nachmittags von 4-5 Uhr bemühte sich Herr Stölzl und ich beim Bürgermeister, dass er Bohrungen alleine durch die Stadt beschließe. Ich suchte in der Mittagsstunde auch die Vorsitzenden von Volkspartei und Zentrum auf, Schmitt und Kämmer, um dieses Ziel zu erreichen.

Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Stadtrates vom 11. Januar 1928:
Der Vorsitzende machte dem Stadtrat davon Mitteilung, dass durch den Wünschelrutengänger Oberstleutnant a. D. Heinemann aus Homburg v. d. H. auf dem Schwimmbadgelände eine unterirdische Quelle in einer Tiefe von etwa 120 m festgestellt worden sei, die nach dessen Angaben warmes Wasser liefern würde und salz- und eisenhaltig sei.

Der Bade- und Schwimmverein verspricht sich von der Erbohrung der Quelle einen Aufschwung des hiesigen Kurbetriebes und knüpfte nun an die Geländeübergabe die Bedingung, dass die Stadt sich verpflichtet, innerhalb eines Jahres die Bohrungen vorzunehmen.
Der Stadtrat nahm von dieser Mitteilung Kenntnis und ist damit einverstanden, dass in den notariell Übereignungsvertrag ein Passus mitgenommen wird, dass die Stadtgemeinde Bergzabern sich verpflichtet, innerhalb eines Jahres die erforderlichen Schritte zur Erbohrung fraglicher Quellen zu unternehmen.

Man beachte: Der Bade- und Schwimmverein verspricht sich einen Aufschwung des Kurbetriebes durch eine Quelle – die Stadtverwaltung anscheinend nicht! Und es werden »die erforderlichen Schritte« zur Erbohrung der Quelle »unternommen«.

Man lachte, kritisierte, bekam schwere Bedenken.

Der Geologe sollte noch Stellung nehmen. Auf Bitten des Herrn Stölzl erschien am 6. März Herr Dr. Häberle, Heidelberg. Sein Gutachten lautete dahin, dass es möglich wäre, dass warmes bzw. heilkräftiges Wasser erschlossen werden könnte. Aber er sei auch unsicher, ob dies bei 140 m erreicht werde. Er verwies auf Bad Dürkheim (300-400 m), Heidelberg (998 m), Freiburg missglückte usw.

Am 15. März erklärte mir Herr Popp: Er überlasse die Bohrung der Privatinitiative!

Die Bevölkerung glaubte an die starke Kraft der Rute.

Herr Oberregierungsrat Dr. Jung stiftete aus einem besonderen Fonds nochmals RM 500, und ich ließ den Wünschelrutengänger von Gräve kommen, der im Türmer so sehr gelobt worden war. Er trug über der Brust einen Lederpanzer, unter dem er einen Elektrisier-Apparat verbarg, was wir jedoch nicht wussten. Seine Tricks imponierten der zahlreich erschienen Bevölkerung. Zum Beispiel ließ er einen Kreis bilden, bei dem einer dem anderen die Hand auf die Schulter legte, und dann gab er dem Vordermann ein Teil der Rute in die Hand und legte dem Schlussmann nun die Hand auf die Schulter, wodurch der Vordermann die Rute fahren lassen musste.

Die Bevölkerung glaubte an die starke Kraft der Rute. Herr Stölzl und ich glaubten an das Vorhandensein von Mineralwasser in unserem Gelände, gewannen noch Herr Lorch und Bechthold als Teilhaber, und der Teufel verführte mich, auf die Beteiligung der Stadt zu bestehen.

Am 3. Juni 1928 beschloss der Stadtrat, dass sich die Stadt an der Bohrgesellschaft »insoweit beteiligen soll, dass sie an dem Unternehmen bestimmten Einfluss hat.« Diesen Einfluss glaubten die Herren mit einem fünftel Beteiligung zu erhalten. Im Kaufangebot forderte die Stadt für das abzutretende Gelände, das sie 1925/1926 für RM 1,- pro Quadratmeter erworben hatte, im Falle eines Erfolges RM 2,- pro Quadratmeter.

Am 6. Oktober 1928 begannen die Bohrungen.

Im Juni 1929 sah es aus, als ob wir Öl bekommen könnten, weshalb die Bohrungen vorrübergehend von der Berginspektion Zweibrücken eingestellt wurde. Am 25. Juni 1929 legte ich dem Stadtoberhaupt nahe, sich auch einmal für die Bohrungen zu interessieren, und er kam mit. Damit erschien er zum ersten Mal an der Bohrstelle, wie mir Bohrmeister Berthold versicherte. Zu dieser Zeit konnte man sich beim Glauben an einen Erfolg der Bohrungen noch lächerlich machen.

Vertreter der Stadt in der Bohrgesellschaft war Herr Gärtnereibesitzer Pfeiffer, der leider zu früh starb. Sein Nachfolger, Tüchermeister Emil Konrad, war interesseloser und wohl auch etwas schwerer von Begriff.

Bei einer Tiefe von 146 m hatten wir 2,404 g feste Bestandteile im Wasser. Bei einer Tiefe von 203-214 m waren es schwankend etwas über 5 g Gehalt, einmal über 12 g.

Am 23. Oktober 1929 verfasste ich ein Gesuch an das Stadtministerium des Innern in München mit der Bitte um Zuschuss zu unserem Vorhaben und ließ selbstverständlich auch den Vertreter der Stadt, Herr Konrad, unterschreiben. Schon am 30. Oktober forderte die Regierung nach näheren Unterlagen von unseren Plänen von der Stadt. Dabei muss Herr Popp von Herrn Direktor Stähler verständigt worden sein, wie auch ich Wind bekam, dass geplant sei, den pfälzischen Kurorten aus der Westhilfe RM 440.000 zur Verfügung zu stellen. Davon sollte Bergzabern RM 150.000 erhalten.

Wir ließen weiter bohren, weil wir bei etwa über 300 m einen Salzgehalt von etwa 14-16 g im Liter zu erreichen hofften. Nachdem Herrn Popp von besonderer Seite gesagt worden war, dass er sich die Quelle nicht entgehen lassen dürfe, wurde er rührig. Er legte diesen Rat auf seine Art aus: Sowohl Herr Justizrat Reiser als auch Notariatinspektor Wendel kamen voller Empörung zu mir und erzählten, dass Herr Popp zu ihnen gekommen sei und gefragt habe, ob er sich von dem mit der Bohrgesellschaft geschlossenen Vertrag drücken könne.

Für mich stellte sich nun die Frage, wie bringe ich dies meinen Mitgesellschaftern bei? Wie konnte ich verhüten, dass dieser Streich des Stadtoberhauptes vor die Öffentlichkeit kam?

Ich schwieg und schlug vor, Bürgermeister und Stadtrat auf die Probe zu stellen hinsichtlich ihrer Aufrichtigkeit gegen uns, indem wir ein Darlehen für einen Badbau erbitten könnten. Der Vorschlag wurde angenommen. Ein entsprechendes Gesuch wurde von mir am 8. November 1929 beim Bürgermeister eingereicht. Ich erfuhr die Stellungsnahme des Haupt-Finanzausschusses und forderte am 11. November von der Stadtverwaltung:

Wir bitten um die Stellungsnahme des Haupt- und Finanzausschusses zu unserem Gesuch vom 8. ds. Mts. gefl. sogleich schriftlich mitzuteilen.

Antwort der Stadtverwaltung am 12. November:

…dass Beschlüsse des Haupt- und Finanzausschusses vertraulich und im Übrigen lediglich Vorschläge für den Stadtrat sind. Ich bedaure daher, Ihrem Gesuch nicht stattgeben zu können.

Die Weiterbohrungen wurden bei einer Tiefe von 262/263 m eingestellt. Am 2. Dezember 1929 wiederum Schreiben an den Bürgermeister mit der Bitte um Entscheidung:

1. Weil der Bohrturm nicht noch drei Monate und länger unbenutzt stehen könne.
2. Weil wir aus Gründen, die nicht darzulegen bräuchten, das uns zugesicherte Gelände sofort erwerben möchten.
3. Sollte zugestimmt werden, die Bohrgesellschaft in eine GmbH umzuwandeln.