Wer Biografiearbeit betreibt, kennt viele Lebensrhythmen und -muster, sieht Knotenpunkte, weiß um manche Klage über ein „zu früh“ oder „zu spät“. Konfrontiert mit dieser realen Komplexität, stellt sich oft die Frage: Wie hängt das WAS  eines Lebenslaufs mit seinem WANN genau zusammen? Folgt jeder in der Tiefe vielleicht doch einer schöpferischen Bewegung, die für  seine Selbstverwirklichung und soziale Wirksamkeit gewisse optimale Zeiten und geistige Räume vorgibt? Versucht der Mensch sich unbewusst daran auszurichten? Beurteilen wir zuletzt unser Leben danach, wie sehr wir dieser imaginären Bewegung folgten?

Dr. Karl Hofmann, der Leiter des „Instituts für Kairologie“ bei Augsburg, hat zu diesen Fragen ein für Biografen herausforderndes Buch mit dem Titel KAIROS – NAVIGATOR DER MENSCHLICHEN ZEIT veröffentlicht.
Seine Grundthese lautet: Der Navigator des Menschen ist sein Kairos. Jeder Zeitpunkt sei für uns Menschen ein bedeutungsvoller Moment. Ganz gleich, was wir denken und tun, jeder von uns wolle sich optimal entfalten und auf seinen persönlichen und beruflichen „Wellen“ elegant surfen. Der Kairos steuere die persönliche und geschichtliche schöpferische Dynamik. Hofmann vergleicht ihn mit einem Autonavigator. Wie dieser das GPS voraussetze, so der Kairos ein menschliches Navigationssystem. Hofmann behauptet, dass ein solches existiere. Er nennt es das Global Human Timing System (GHTS).

Das Buch geht davon aus, dass der ursprüngliche und ständig notwendige schöpferische Akt des Menschen darin bestehe, mit sich und seiner Welt in Beziehung zu treten. Erst durch diese Beziehung erhalten Menschen und Dinge für uns Wert und Bedeutung. Genau aber diese Bedeutung ändere sich ständig, aber eben nach einer bestimmten geistigen und zeitlichen Logik, die von den schwer-wiegenden Feldern des menschlichen Navigationssystems bestimmt werde. Der Kairos nun sei der Punkt, in dem sich dieses System und die reale Wirklichkeit des Menschen begegneten. Je mehr der Mensch, aber auch geschichtliche Gemeinschaften auf diesen „Kairos“ aufmerksam seien, desto mehr würden sie ihren Platz im Ganzen einnehmen.

Durch das Wissen um die innere Bewegung des Kairos bietet sich für Hofmann erstmals die Chance, reale Biografien als mehr oder weniger gelungene Versuche zu betrachten, dem persönlichen und geschichtlichen Kairos gerecht zu werden. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang ein Zweifaches. Zum einen wird aufgezeigt, dass Lebensphasen nicht nur aufeinander aufbauen, sondern insgesamt ein energetisches Netzwerk bilden, sodass sich aus bestimmten früheren Phasen gewisse Wahrscheinlichkeiten für viel spätere ableiten lassen – und umgekehrt. Zum zweiten wird ein revolutionärer wissenschaftlicher Ansatz für die Lösung eines Problems vorgestellt und belegt, das wohl schon alle Biografen beschäftigt hat, nämlich die Frage, wie genau der individuelle Lebensweg verbunden ist mit der Bewegung von Generationen und Epochen.

Das Buch KAIROS eröffnet zweifellos einen neuen und tief gehenden Blickwinkel auf viele für Biografen bekannte Phänomene. Er vermittelt auf der Basis langjähriger Forschungsarbeit zum Teil erstaunliche Einblicke in die menschliche Lebensdynamik und ordnet viele Tatsachen unterschiedlichster Wissenschaften auf neue Weise. Der Inhalt ist anspruchsvoll und verdichtet formuliert. Wer sich aber darauf einlässt, kann für seine Biografiearbeit wertvolle Impulse gewinnen. Das Institut für Kairologie bietet darüber hinaus Kurse an, in denen man trainieren kann, biografische Wirklichkeiten auf den Kairos hin zu deuten.

Das Buch KAIROS. NAVIGATOR DER MENSCHLICHEN ZEIT ist im Hernoul-le-Fin Verlag, Augsburg 2010, in gebundener Form erschienen. Es hat 379 Seiten, kostet 29, 50 Euro und ist unter der ISBN 978-3-933309-99-0 über www.kairologisches-institut.de oder jede Buchhandlung zu beziehen.