Hiermit eröffne ich die Reihe der biographischen Neuerscheinungen. Allerdings stelle ich weniger in loser Folge ein neues Buch selbst vor, als vielmehr über zentrale Themen daraus zu reflektieren: das Buch also als Inspirationshilfe. Ich habe am Anfang meiner beruflichen Tätigkeit als Lektor und Journalist viele Rezensionen geschrieben und auch einige Bücher verrissen – das tut mir noch heute Leid und ich würde es nicht noch einmal tun. Das Schreiben von Büchern – gleichgültig, welches Niveau sie haben – ist an sich schon eine beachtliche Leistung.

Natürlich weise ich meine Kursteilnehmer immer darauf hin, sie sollten an erster Stelle ihre Autobiographie für sich und ihre Familie schreiben, und nicht für den Buchmarkt, denn dafür haben sie keine Qualifikation. Für den Buchmarkt schreiben und davon leben können nur die Wenigsten. Das ist vergleichbar mit den Millionen Freizeitkickern, von denen es kaum jemand in die Bundesliga schafft.

Die biographischen Bücher, die ich hier bespreche, sind gerade neu erschienen und rufen daher förmlich nach einer angemessenen Rezension. Das kann ich leider nicht leisten. Interessiert mich das Thema, lese ich das Buch – notfalls quer – und schreibe über das, was mir darin für unsere biographische Arbeit auffällt und interessant erscheint: ganz einfach und subjektiv. Indem ich über ein Buch schreibe, empfehle ich es selbstverständlich auch.

Alma-Elisa Kittner
Visuelle Autobiographien
Sammeln als Selbstentwurf bei Hannah Höch, Sophie Calle und Annette Messager

Transcript Verlag, Bielefeld 2009

„Sammeln ist eine Form des praktischen Erinnerns“, schreibt Walter Benjamin, und die Autorin Alma-Elisa Kittner fragt: „Wie formuliert sich heute das ‚Ich‘ oder dessen ‚Identität‘ angesichts der vielfältigen Rollen, die es zu spielen hat, und der Diskontinuitäten, die sein Leben prägen? Und: Wie gestaltet sich Erinnern im Zeitalter schier unbegrenzter Speichertechniken?“

Das ist eine interessante Frage, und wie immer, wenn kreative Antworten darauf gesucht werden, sind sie bei Künstlern zu finden. Von ihnen lernen wir die wichtigen Formen der Selbstdarstellung: die Kunst des Selbstporträts, das Erstellen von Gedächtnisbildern, sowie individuelles Archivierungsstrategien von Dokumenten. Eine Autobiographie – in welchem Medium auch immer – zu gestalten ist also eine hohe Kunst, wenn man sich tiefer darauf  einlässt und nicht mit oberflächlicher Dokumentation zufrieden gibt.

Alma-Elisa Kittner: „Ebenso wie dem Sammeln ein konservativer Zug unterstellt wird, gilt auch das Genre der Autobiographie als traditionell. Zugleich ist sie das Genre der Moderne par excellence, weil sich in ihr das bürgerliche Subjekt über die Kategorie von Autonomie und Individualität konstituiert.“ Das ist wissenschaftlich ausgedrückt, vereinfacht kann man auch sagen: Durch die biographische Erinnernungsarbeit findet und erkennt der Mensch sich selbst. Nosce te ibsum – erkenne dich selbst!

So hat die Künstlerin Hannah Höch am Ende ihres Lebens in großen Fotocollagen Lebensbilder geschaffen, die als visuelle Autobiographie genau diese Frage reflektieren: Wer war ich? Was ist aus mir geworden? Wer bin ich heute – und in Zukunft? Das ist sicher selbst für weniger künstlerische Menschen eine gute Form, die eigene Lebensgeschichte und damit sich selbst in Form zu bringen. Inspirieren lassen können Sie sich auch von den sogenannten Erinnerungskisten, die von Age Exchange initiiert und seit einigen Jahren als Wanderausstellung in die Welt geschickt werden.

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Wenn Sie eine spannende Lebensgeschichte schreiben, melden Sie sich bitte bei mir! Ich suche Menschen, die Ihre Biografie schreiben.